Psychodynamisches Modell einer dependenten Persönlichkeit
Bevor Sie sich jetzt das psychodynamische Modell zu Gemüte führen, lesen Sie bitte vorab das psychodynamische Modell der gesunden Persönlichkeit. Dies ist notwendig um das folgende Modell zu verstehen.
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Betrachten wir uns nun das psychodynamische Modell der dependenten Persönlichkeit, dann sehen wir, dass das Mutter- Vater- Imago ein tragender Baustein im ICH-Ideal ist. Mutter- Vater- Imago gehen in dieser Säule über in die Leitbilder. In den Leitbildern liegen natürlich auch die anderen Puzzles internalisierter (verinnerlichter) Objekte. Diese Leitbilder wiederum schlagen sich unter anderem im ödipalen ÜBER- ICH, der tragende Baustein unter dem Gewissen und in den Grössenphantasien, der tragende Baustein unter dem IDEAL-ICH, nieder. Ist der Baustein zu klein oder zu groß, würde das ÜBER-ICH, schematisch dargestellt, kippen. Im Falle der dependenten Persönlichkeit heißt das, dass die Bausteine Eltern-Imago oder Leitbilder in Säule II und ödipales ÜBER-ICH in Säule I vergrößert sind.
Zwischen Säulen I und II findet im Laufe der Entwicklung eine Kompensation statt, die sich dann in Gewissen und ICH- IDEAL nieder schlägt. Das heißt z. Bsp. die überstarke Mutter als unterster Block der Säule I hinterlegt, wird mit einem stärkeren Gewissen ausgeglichen oder eine schwache Mutter, durch ein anderes internalisiertes Objekt, in Säule II Block Mitte, ausgeglichen. Letztendlich spielt es keine Rolle, da eine Verschränkung zwischen Säule I und Säule II besteht. Im Falle der dependenten Persönlichkeit ist diese Verschränkung anders als bei der Borderline- oder narzisstischen Persönlichkeit, besonders stark ausgeprägt.
Legende ÜBER-ICH:
- VI = Vergleich Ideal-Ich / Ideal Selbst versus Ich Ideal / Ideal Objekte
- U = Urprägungen, Urbeeinflussungen durch das Elternimago (Imago = Urbild)
- B1,B1 = Gesamtkraft, Gesamtenergie die aus Säule I und II des Über-Ich auf das ICH drücken
- B2 = Gesamtkraft, Gesamtenergie die aus Säule III des Über-Ich auf das ICH drückt
Im Falle der dependenten Persönlichkeit sehen Sie das die Säule I, danach die Säule II, gegenüber der Säule III vergrößert dargestellt ist und der Abgleich (VI) zwischen ICH-Ideal und Ideal-ICH / Ideal-Selbst nicht richtig funktioniert.
Das internalisierte Objekt, bestehend aus dem Elternimago und den aufsetzenden Leitbildern ist, wie Sie nun wissen, nicht mehr zu verändern.
Gegenüber (ich hoffe Sie haben sich vorher das psychodynamische Modell der gesunden Persönlichkeit durchgelesen) dem gesunden Über ICH sind bei der dependenten Persönlichkeit folgende Dinge anders.
- der Komplex Eltern-Imago + Leitbilder (Säule II) ist übermässig stark ausgeprägt auf Grund dessen sich ein
- überstarkes, rigides Gewissen (Säule I) herausgebildet hat
- die narzisstische Komponente (Säule III) allerdings ist zu schwach ausgebildet (resultierend aus den Einschränkungen/Verboten der Eltern und Leitbilder in der Kindheit)
- Der Abgleich (VI) funktioniert nicht richtig da ICH-Ideal und Idieal-Selbst divergent ausgebildet sind
Dadurch drücken Säulen I und II, mit Ihrer Gesamtenergie (B1), da beide verschränkt sind, überstark auf das ICH und bringen es aus dem Gleichgewicht. Bildlich dargestellt indem es nach links weg kippt. Die Folge davon ist, dass über die inversive Verbindung (D) das Selbstkorrelat welches
- das Selbstbild (wie sehe ich mich)
- das Selbstbewusstsein (wer bin ich)
- das Selbstwertgefühl (was bin ich mir wert)
- das soziale Selbst (welches abgeglichen wird mit dem Fremdbild = wie sehen mich andere?) und dieses soziale Selbst wird wiederum abgeglichen mit 1 und 3.
enthält, nach unten unten rutscht, welches einem einem geringen Selbstwert-(Gefühl) / Selbstbewusstsein entspricht.
Die Ich-Struktur einer dependenten Persönlichkeit
Legende ICH:
- A = Abwehrmechanismen des ICH
- B1 = Kräfte bzw. Energien die aus Säule I und II des Über-Ich auf das ICH drücken
- B2 = Kräfte bzw. Energien die aus Säule III des Über-Ich auf das ICH drücken
- C = Abwehrenergien die das ICH für die Abwehrmechanismen heranzieht (ICH-Triebe)
- A+C = Abwehrhandlung des ICH (z. Bsp. Sublimierung)
- D = starre Verbindung mit Inversivgelenk (G) zum Selbst
- E1,E2 = ES-Impulse, Triebenergien
- G = Inersivgelenk (Inversiv = Umkehr)
- SB = Selbstbeobachtung, Introspektion
- S = Vergleich soziale Selbst mit Selbstbild und umgekehrt
- SE = Selbsterkenntnis
- SF = Übergang Fremdbild in das soziale Selbst
- SS = Anhebung des Selbstwertgefühl über das soziales Selbst
- SR = Selbstregularien
- IS = Ich-Diskrepanz, Selbstverwirklichung, narzisstisches Gleichgewicht
- VI = Vergleich Ideal-Ich/Ideal Selbst versus Ich-Ideal/Ideal Objekte
Zwei Dinge passieren nun. Die Ich-Diskrepanz (IS), d.h., die Distanz zwischen Ideal-Ich/Ideal-Selbst und Selbst, welches das narzisstische Gleichgewicht, bzw. den gesunden Narzissmus, ergibt, vergrößert sich und über die Rückkopplung entsteht der Wunsch nach Liebe (was der zwischenmenschlichen, partnerschaftlichen Beachtung / Wertigkeit entspricht), welches wiederum ES-Impulse hervorruft. Weiter entsteht der Wunsch nach Anhebung des Selbstwert über Beachtung im sozialen Umfeld.
Einfach gesagt besteht kein narzisstisches Gleichgewicht und bei der dependenten Persönlichkeit ein sehr schwacher Narzissmus. Im Vergleich zum Narzissmus völlig entgegengesetzt. Hier liegt eine der Begründungen warum sich Narzissten gerne Dependente suchen und umgekehrt.
Die dependente Persönlichkeit versucht nun ihr Selbst anzuheben indem sie in der Beziehung alles für den Partner tut und im sozialen Umfeld über das "Soziale Selbst", welches beeinflusst wird über das "Fremdbild".
Das heißt aber auch, dass für die dependente Persönlichkeit durch den Überdruck der Säulen I und II nicht annehmbare ES-Impulse entstehen.
Durch die Entstehung der Es-Impulse drückt somit das ES von unten (E2), gegen das ICH. Da es für die dependente Persönlichkeit zu viele nicht annehmbare ES-Impulse gibt, bedingt durch das überstarke Gewissen (Säule I) und die überstarken Leitbilder (Säule II) drückt das ES natürlich auf dem Weg des geringsten Widerstandes gegen das ICH. Also auf der schwächeren ICH-Seite mit Impulsen die einem stärkeren Narzissmus (Säule III) entgegenstehen. (Bsp. dazu wäre eine nachhaltige/nachdrückliche Forderung an ....)
Bedingt durch die (nicht annehmbaren) Es-Impulse muss sich das ICH schützen und setzt somit mit seiner Energie (C) die Abwehrmechanismen (A) in Gang, wie Sublimierung, Substitution, Verdrängung, Kompensation, etc. Gleichzeitig gleicht es damit über Abwehrhandlungen (A+ C), Vorstellungen, Einstellungen, den Druck des ÜBER-ICH und ES aus, was zur Ausgleichung, hier Anhebung des Selbst führt.
Der Druck des ÜBER-ICH und des ES ist nicht konstant, sondern eher intervallartig. Bei der dependenten Persönlichkeit ist das ICH von vornherein mehr damit beschäftigt, dem Druck des ÜBER-ICH entgegen zu wirken, seine Energien also in diese Richtung zu setzen, um das Selbst anzuheben, bzw. in der Waage zu halten. Es kann somit den Triebimpulsen des ES oft nur unangepasst, z. Bsp. über Kompensation oder Reaktionsbildung, entgegen wirken. So z. Bsp. bei einer dependentenPersönlichkeit mit Anorexie über aggressiven Sexualverhalten oder wenn mit Bulimie besetzt, über Fressattacken.
Da es ein Regelsystem ist, können wir uns das Ganze auch umgekehrt betrachten. Dazu benutzen wir jetzt das oft sehr schwache Selbstwertgefühl der dependenten Persönlichkeit, welches sich über das Selbstbild im Selbst niederschlägt. In unserem Betrachtungsfall liegt es relaltiv weit (rechts) unten im Bild. Der gesamte Regelkreis funktioniert jetzt anders herum.
Die ICH- Diskrepanz (IS) ist vergrößert und das ICH, über die Inversiv-Verbindung (D) gekippt, drückt somit auf Säule III des ÜBER- ICH. Das narzisstische Gleichgewicht ist gestört und das ICH fängt an zu regeln, mit dem Versuch, in die Waage zu kommen und das Selbst anzuheben.
Gleichzeitig bekommt aber die dependente Persönlichkeit ein "schlechtes" Gewissen, da das ICH, um in die Waage kommen, gegen die verlängerten Säulen I und II drückt. Die dependente Persönlichkeit muss also Abwehrmechanismen und Handlungsweisen finden, die in Kongruenz zum Gewissen und ICH- Ideal stehen.
Auch vom ES her können wir das Ganze betrachten. Nehmen wir dazu das Beispiel Inge (aus der dependenten Störung). Ein nicht annehmbarer Triebimpuls, der Wunsch nach körperlicher Liebe, drückt, dargestellt im Modell, als Energie (E1) des ES, gegen das ICH. Da Inge nicht gelernt hat, Intimität zuzulassen und das Wissen darum, dass "Ihr Selbst" aus der Waage gerät, entsteht Angst. Die Angst auf der einen Seite und der Druck, den jetzt das ICH auf das Gewissen (Säule I) des Über- ICH ausübt, veranlasst das ICH wiederum zur Abwehr, mit Abwehrhandlungen (A+C)
In Inges Fall ist es die Sublimierung, d.h. die Arbeit, welches im reinen Gewissen zum Über- ICH steht und noch dazu das Selbst anhebt. Da der Mensch aber nicht immer und ganz ES-Impulse / Triebimpulse abwehren kann und, nach Freud auch gar nicht soll, werden nur die für Inge annehmbaren Teile des Triebimpulses durchgelassen und das Internet mit entsprechendem Chat eingeschaltet. Der Triebimpuls kann aber auch ganz einfach in's Gegenteil verkehrt werden (ICH-Abwehr = Negierung) und aus der Vorstellung Sex wird "ich will und brauche so etwas nicht". Er kann aber auch substituiert auf den Sohn übertragen werden und sich dort in Form der Sublimierung niederschlagen. Inge würde somit, wenn wir den alten Begriff verwenden wollen, in die Gruppe der Neurotiker fallen.
Wichtig für die dependente Persönlichkeit ist nur, dass die Abwehrmechanismen des ICH den Vorgaben der Säulen I und II des Über-ICH nicht widersprechen.
Anhand der Über- ICH Problematik der dependenten Persönlichkeit, sehen Sie nun auch den Grund, nämlich der Druck des Über-ICH aus Säulen I und II auf das ICH, warum die dependente Persönlichkeit dazu neigt, ihr Selbstwertgefühl zu verneinen. Wir können somit sagen, dass je stärker das Über-ICH gegen das ICH drückt, desto stärker ist die Verneinung. Und das kann bis hin zur Anorexie gehen, in der ja das ICH und Selbst gegenüber Teilen der Säulen I und II verneint wird.
Sie haben nun gesehen, wie der "Regelmechanismus" der Psyche in der dependenten Störung greift. Die Problematik der dependenten Persönlichkeit kann, wie Sie sehen, nicht an einem "Teil", wie dem Über- ICH, ICH, ES oder dem Selbst, nicht einmal an den Abwehrmechanismen festgemacht werden.
Die Über-ICH Problematik der Säulen I und II wirken sich auf alles aus, insbesondere auf das Selbst. Wie bereits erwähnt, können die Imagos im Über-ICH, nicht mehr verändert werden, d.h. der Schwerpunkt der dependenten Persönlichkeit liegt im Selbst, somit im Selbstbild. Sie macht dieses zu stark von Partner oder einen anderen Menschen, sozialem Selbst, Fremdbild abhängig. Die Über-ICH-Prpblematik der dependenten Persönlichkeit ist auch der Grund iher Vulnerabilität (Anfälligkeit) für die Depression.
Moment, werden Sie jetzt sagen, dann ist ja der Narzisst auch dependent. Richtig. Der Unterschied besteht allerdings, wie Sie im pschodynamischen Modell Narzisst, im Über-ICH, im Selbst, im Bezug zum Menschen, in den Abwehrmechanismen, in den Ein- und Vorstellungen, in den Handlungsweisen, in der Liebesfähigkeit und letztendlich im ES bzw. der Kontrolle darüber. Auch ist der Druck aus dem Über-ICH ein ganz anderer. Sie sehen ein paar kleine, aber feine Unterschiede. Das heißt im Umkehrschluss und bei logischer Betrachtung, dass Narzissten zwar abhängig von anderen im Sinne der Spiegelung sind, aber eine dependente Persönlichkeit kein Narzisst sein kann.
Es kann also nur in der Gesamtheit gesehen werden. Jedes "Regelteil" bedingt sich gegenseitig und steht in Wechselbeziehung. Es steht somit außer Frage, ob Medikamente in diesem Fall heilen oder helfen können. Sie können allenfalls, z. Bsp. im Fall der Depression eine unterstützende Wirkung liefern. Nur eine Therapie kann helfen, die überstarke Ausprägung / Prägung der Säulen I und II zu erkennen und mit dieser anders umzugehen. Nur eine Therapie kann helfen, andere adäquate Abwehrmechanismen zu nutzen, daraus andere Einstellungen, Vorstellungen, Handlungen und Verhaltensweisen zu entwickeln und somit das ICH und das Selbst unabhängig von x in der Waage zu halten oder es dort hin zu bewegen.