Fallbeispiel einer Borderline-Störung: Der Fall M.

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M. ist weiblich, 38 Jahre, schön?, intelligent? und sehr erfolgreich in ihrem Beruf. Sie hat studiert und in dieser Zeit vieles erlebt. Sie ist 1,78 und wiegt 56-58 Kg, also sehr schlank. Wahnsinns lange Beine, lange blonde Haare und grüne Augen. Also eine Frau auf die so mancher Mann mit wehenden Fahnen fliegt.

Nichts aussergewöhnliches im Prinzip. Schauen wir uns M. stückchenweiße ein wenig näher an. Sie hat ein wunderbares Lachen, ist oft überschwänglich glücklich und kann aprupt in tiefste Traurigkeit verfallen. Schaut man in ihr Gesicht sieht es jünger als 38 aus und dennoch erkennt man Verlebtheit. Ihre Augen können wie Sterne leuchten und innerhalb kürzester Zeit tiefe Leere, Wut oder Hass zeigen, wie auch die gesamte Mimik. Sie ist anders als andere, impulsiv, macht verrückte Sachen, die nicht unbedingt in die Norm passen.

Sie tanzt sehr gerne, wobei es für sie nicht nur Tanz ist. Die Augen geschlossen übergibt sie sich einer anderen Welt. Ihr Körper bewegt sich im Rhythmus der Musik, welches nicht in Worte zu fassen ist.

Die Augen geschlossen und ein Lächeln im Gesicht, als ob sie Zugang zu ihrem tiefsten Inneren findet.

Beobachtete man sie oberflächlich so sah man nur eine Frau die sehr gut tanzen konnte. Schaute man genauer hin sah man welche tiefsten inneren Gefühle dieser Mensch zum Ausdruck brachte. Als ob sie eins wurde mit sich selbst, mit dem Kind in ihr, welches sie hasste, mit der Mutter die sie so liebte und doch hasste. Im Tanz schien sie alle Schmerzen zu vergessen, sich aufzulösen.

Sie kann wie ein kleines Kind sein und dann doch wieder Frau. Zärtlich, einfühlsam, verständnisvoll, voller Hingabe und im anderen Moment kalt, brutal, abweisend.

Bis hierhin ist M. nicht unbedingt außergewöhnlich, oder?

Sie hat einen Teddy der fast so alt ist wie sie. Ihr Freund und Vertrauter. Er kannte ihre Wünsche, Sorgen, Nöte, Ängste. Mit ihm konnte sie reden wurde verstanden, nicht zurückgewiesen. Bei ihm durfte sie weinen. Er war immer da und begleitete sie über die Jahre. Ging es M. schlecht und man bettete sie, legte den Teddy in ihre Arme und setzte sich neben sie, streichelte ihr über das Haar, strahlte sie das aus was jede Mutter oder Vater von Ihnen kennt. Als Kind war ihr liebstes Märchen, wie von vielen nicht geliebten Mädchen, der Froschkönig.

Oft hatte man das Gefühl sie, die Prinzessin, lebte nur für den Moment der Erlösung durch den Prinzen.

Frösche gab es genug die geduldig warteten und nahmen sich was eben gerade mal vorbei kam, mal eine Fliege, mal die kleine Prinzessin M.

Wirkt es für Sie außergewöhnlich? Gehen wir weiter.

Des Abends trinkt sie gerne mal ein paar Gläser Prosecco, manchmal eine Flasche, manchmal 1,5-2, je nach Gemütsverfassung und Geschehnisse des Tages oder der Beziehung. Sie geht gerne weg, sie isst sehr wenig (wenn überhaupt was) arbeitet wie eine Besessene und hat sehr viele Arzttermine (pro Woche 3-4), natürlich bei verschiedenen Ärzten. Irgendwelche Beschwerden hatte sie immer. M. hatte jeden Tag etwas anderes. Man konnte am Morgen aufstehen und fragen "was hat M. denn heute wieder, wo tut es weh?" Sie ist sehr ungeduldig und erträgt innere Spannungen nur äußerst schwer oder gar nicht. Sie ist sehr leicht gekränkt, welches sie extrem übertrieben äußert. Auf den ersten Blick wirkt sie ehr introvertiert. Schaut man genauer hin wirkt sie extrovertiert. Doch sie ist keines von beiden alleine, d.h. (ohne Anhang). Egal wo sie hingeht sie hat immer eine Wasserflasche dabei. Mal waren ihre Pupillen groß dann wieder sehr klein. Macht man ihren Kühlschrank auf findet man zwar nichts zu essen, ein Stück Käse und ein paar Schokoriegel, aber Wein oder Prosecco.

Auffallend war das M. nie Geld hatte, obwohl sie sehr gut verdiente. Was zum Teufel machte sie damit?

Ihre Tagebücher lesen sich wie Achterbahnen voller Schmerz zu sich selbst und ihrem Leben, voller Idealisierung für den der gerade dran war und Suizidgedanken die immer wieder auftauchten, ja bis im Detail beschrieben wurden wenn sie sich nicht geliebt fühlte.

Wird es langsam außergewöhnlich, oder meinen Sie das nur?

In Beziehungen spricht sie sofort von der absoluten, unsterblichen Liebe, mystischen Verbindung und bietet sehr schnell Sexualität an, bzw. bevor die Beziehung beginnt. (Mit dir war es so) Sie macht Zukunftspläne und verbalisiert diese auch (dies nach wenigen Stunden oder Tagen). Sie ist ein Mensch mit einem überstarken Bedürfnis nach Annahme, Wärme, Geborgenheit, Sexualität (wobei diese in jede Richtung geht), Achtung, Verstehen und Mittelpunkt. Immer wieder ist sie sehr verliebt doch scheinen die Beziehungen sehr wechselhaft und nicht von Dauer zu sein, wie ihr Wesen. Sie hat viele gescheiterte Beziehungen hinter sich, die sie in der Regel beendet hat. Auffallend war wie sie die Beziehungen darstellte und warum sie diese beendete. Ergo hatte man Mitleid, mit der Prinzessin die ja nur den Froschkönig suchte. Hatte jemand die Beziehung beendet so versuchte sie alles um dieses umzukehren und dann zu gehen. Auffallend war das M. große Probleme hatte allein zu sein, da sich an jede gescheiterte Beziehung sofort die nächste anschloss oder schon vorhanden war. Oder diese kurzen Zeiten "des Alleinseins" wobei es sich hier um Tage, max. ein paar Wochen handelt wurden mit sehr kurzfristigen Affären oder Stands überbrückt. Sie ruft 0190 Nummern an um sich Karten legen zu lassen oder Horoskope zu hören. Geht des öfteren zu einer Kartenlegerin und legt natürlich auch selbst. Naturgemäß ist sie kein Mensch sondern eine wiedergeboren Hexe, natürlich eine weiße Hexe. Sollte sie wieder einmal umziehen, was die letzten 12 Jahre 8 mal geschah, werden die Ecken der neuen Wohnung mit Sand beworfen und ausgeklatscht, natürlich einerhergehend mit dem dementsprechenden Hexentanz.

Es wird ungewöhnlicher? Eigentlich könnte man sagen "schön durchgeknallt".

Ja, Sie denken richtig. M. leidet unter der Borderline-Störung (extrem stark ausgebildet) einhergehend mit Anorexie und Hypochondrie. Wobei es sich hier um eine Kaskadenstörung handelt (Multikomorbidität). Unterliegend ist die Borderline-Störung und aufgesetzt die Anorexie und Hypochondrie. Die Anorexie und Hypochondrie ist hier ein Teil der Borderline-Störung. Auf den ersten Blick erkennt man nur die Anorexie, beim zweiten die Hypochondrie und erst bei sehr genauem Hinsehen die Borderline-Störung.

Es gab Ansätze in der Psychiatrie den Begriff anorektische Borderline-Störung zu prägen. Man ist davon wieder abgekommen. Wie sollte man M. auch bezeichnen? Als anorektischer, hypochondrischer Borderliner? Man spricht also in diesem Falle von einer Multikomorbidität, wobei ich persönlich im Falle der Borderlinestörung diesen Begriff ablehne und von Kaskadenstörung spreche, deren Ursache die unterste Kaskade (die Borderline-Störung) ist.

Aber zurück zu M. (M. mit dem Teddy und den Sternenaugen)

Gehen wir in die Vergangenheit und schauen uns an wie und warum diese 3 Störungen (oft getrennt von einander auftretend, oder einzeln) doch hier Bild der Gesamtstörung entstehen und sich entwickeln konnten.

M. wurde als jüngstes von zwei Mädchen in eine "normale" Familie geboren. "Normal" deshalb weil nur nach außen. Innerhalb liebten sich Mutter und Vater zu diesem Zeitpunkt nicht mehr und bildeten mehr oder weniger eine Zweckgemeinschaft. Wir müssen hier also einen kurzen Sprung zu den Eltern machen. Der Vater liebte die Muter doch die Mutter den Vater nicht mehr. Fakt ist das es starke Spannungen, zwischen Mutter und Vater gab, die der Vater versuchte nicht auf die Kinder zu übertragen. Die Mutter extrovertiert - impulsiv, der Vater introvertiert - zurückhaltend, ruhig. Der Vater wünschte sich ein Kind, welches später M. wurde, doch einen Jungen. Die Mutter dagegen unter keinen Umständen, sie wollte gar kein Kind. Hier beginnt die Katastrophe für M. obwohl noch nicht geboren. (Welche Umstände hier eine Rolle spielen das die Mutter schwanger wurde sei dahingestellt, stark anzunehmen ist das M. nicht einmal von dem Vater abstammt den sie als Vater sieht, bzw. ihr dargeboten wird). Wir wissen das sich die Mutter sich schon damals sehr für andere Männer interessierte. Dies spielt aber auch nur eine untergeordnete Rolle. Wichtig ist das "Nein" der Mutter gegenüber der Schwangerschaft. Dieses "Nein" übertrug sie unweigerlich auf M. (noch ungeboren). Hier ist nicht die Rede vom verbalisiertet "Nein" sondern von der Einstellung. Noch dazu kommen die elterlichen Spannungen die sich unweigerlich auf das Ungeborene übertragen.

M. wurde in den Beginn des Frühlings, eine der schönsten Jahreszeiten, geboren. Kurzer Abschweif: Irgendwie erschien ihr späteres Leben als ob sie ständig auf der Suche danach ist, oder im Frühling leben will.

Anzunehmen ist, mit großer Sicherheit, dass die Mutter nach der Geburt befreit "von dem Ding" war, was sie nicht wollte. Des weiteren war da doch die Liebe zu dem Kind, dies hat die Natur so eingerichtet, (Symbiose), ein Teil der Mutter. Da aber die Mutter schon einmal gebar (M`s Schwester) , die später auch eine große Rolle spielt, konnte die Mutter nicht "dieses" einschneidende Erlebnis wie in der ersten Geburt haben. Wir wissen nicht welche Rolle das definitiv in den späteren Verhaltensweisen spielt. Doch sicher ist das wenn ein Kind nicht gewollt ist überträgt sich dies auf das (noch ungeborene) Kind. Schauen wir uns kurz die Welt des Babys im allgemeinen an. Es ist behütet, warm, tragend (schwimmend), welches später auch in der Psyche des Menschen eine große Rolle spielt, wird mit allem lebensnotwendigem versorgt. Allerdings doch ein Mängelwesen (24 Monate Bauch). Der Tag an dem das Kind die schützende Umgebung der Mutter verlässt ist für das Kind ein grauenvolles Erlebnis (es ist noch nicht geklärt in wie weit). Stellen Sie sich vor von warm, weich und behütet urplötzlich nach kalt, hart und unbehütet gestoßen zu werden. Mit Händen und Füßen würden Sie sich wären. Hier hat die Natur wie bereits erwähnt den Trick der wieder aufzunehmenden Symbiose, seitens der Mutter, eingeführt.

Was die Durchtrennung der Nabelschnur letztlich für das Kind wirklich bedeutet ist in keinster Weise geklärt.

Aber wieder zurück zu M. M. wurde nun weiblichen Geschlechtes geboren. Anzunehmen ist das es der Mutter egal war, doch dem Vater? Wie gesagt wünschte er sich einen Sohn. Ohne weiteres freute sich der Vater über M. und war glücklich. Doch der innere Wunsch das M. ein Junge hätte sein sollen bildete den Anfang eines inneren Zwiespaltes in ihm, der sich die nächsten 12 Jahre mehr und mehr manifestieren sollte.

Für Außenstehende wuchs M. in einem wohlbehüteten Elternhaus auf, in dem es (fast) alles bekam (nur eines nicht). Nicht mehr nachzuvollziehen ist ob und wie lange M. gestillt wurde. Sicher ist aber das die Mutter von M. die Symbiose hätte eingehen müssen was sie nicht tat. Sie zeigte M. entweder ein starkes ablehnendes Verhalten "du bist nicht gewollt" oder eine starke Ambivalenz. Beides ist für das Kleinkind Eines und das Selbe. Wir wissen, bereits erwähnt, dass das Kind zwischen 9-12 Monaten nicht zwischen Du und Ich bei der Mutter unterscheiden kann. Es bildet immer noch eine Einheit mit der Mutter (24 Monate). So ist es zu verstehen das sobald die Mutter sich entfernt (Trick der Natur - Kind schläft viel) es Todesangst verspürt da sich ein lebensnotwendiger Teil (die Mutter entfernt). Genau an diesem Punkt wurde die Grundlage der Borderline-Störung für M. gelegt, die sich in den nächsten 3-4 Jahren manifestiert sollte.

Für das Kind spielt der Vater erst ab 3,5 - 4. Jahr eine entscheidende Rolle. Alles was ein Mensch zwischen dem 0-4. Lebensjahr erlebt, was ihn prägt, egal in welcher Hinsicht, ist nicht mehr rückgängig zu machen. Es ist nicht zu reparieren. Insoweit ist verständlich das eine Borderline-Störung nicht heilbar ist sondern nur stabilisiert oder zum Stillstand gebracht werden kann.

Sicher ist also das die Mutter gegenüber M. ein starkes Ambivalentes Verhalten zeigte, vielleicht sogar vollkommene Ablehnung. M. musste aber mit "ansehen" wie ihre ältere Schwester geliebt wurde (von der Mutter, später auch vom Vater). M. konnte somit keinen höherentwickelten Verarbeitungsmechanismus als die Spaltung entwickeln. Nun kommt der Eintritt des Vaters in die Entwicklung von M. der in den folgenden Jahren eine tragende Rolle spielen sollte. Wir erinnern uns das der Vater ja einen Jungen haben wollte und kein Mädchen. M. befand sich im 3-4. Lebensjahr (genitalen Phase). Da M. von der Mutter nicht das bekam was sie hätte bekommen müssen blieb M. nichts anderes übrig dieses Bedürfnis nach Liebe auf den Vater zu übertragen. Hinter der Aussage des Kindes M. steht die Aufforderung "liebe mich wie ich hätte geliebt werden müssen". An diesem Punkt der Entwicklung entstanden für M. ungeheure Konflikte.

M. befindet sich also in der genitalen / ödipalen Phase Diese bedingt das das Kind den gegengeschlechtlichen Elternteil begehrt. Gleichzeitig wird dieser aber zum Konkurrenten und zur Bedrohung. In M. tobt jetzt der Gewissenskonflikt zwischen der Angst die Mutter zu verlieren und der Neigung zur Geborgenheit des Vaters. Normalerweise erfolgt die Bewältigung dieser Angst mit der Identifizierung des gleichgeschlechtlichen Elternteils. Hier bildet sich ein Teil des "ÜBER-ICH" heraus der später die Kontrolle über gegengeschlechtliche (hetero) Beziehungen übernimmt. Doch bei M.????

Konnte sie sich mit der Mutter identifizieren? Konnte sie diesen Konflikt lösen, zumal noch ein anderer vorlag? Konflikte:

  1. der Bedürfnistransfer von Mutter auf Vater, verbunden mit der gleichzeitigen Angst die Mutter zu verlieren
  2. auf der Seite des Vaters, der sich ja einen Jungen wünschte
  3. auf der Beziehungsseite der Eltern
  4. das Ansehen wie ihre Schwester geliebt wurde (und die daraus resultierenden Gefühle wie Neid, Wut, Hass und dem Widerspruch die Schwester ja zu lieben da es die Schwester ist)
  5. die nicht mögliche Identifizierung mit der Mutter da diese sie (M.) ablehnt, bzw. ambivalent ist

zu 1.) Das Kind (M.) überträgt den Schrei nach Liebe auf den Vater, der aber biologisch und Entwicklungspsychologisch nicht das geben kann was nur die Mutter hätte geben können bzw. müssen. Das Kind (M.) versucht also die nicht erhaltene Symbiose mit dem Vater einzugehen, welches nur bedingt geht. (Hier liegt übrigens die Ursache, der Entwicklungspunkt, für einen eventuellen späteren sexuellen Mißbrauch) Bedingt durch den bestehenden Spaltungsmechanismus muß M. die Mutter verurteilen und als "böse" erklären. Welches wiederum Angst auslöst, da die Mutter mächtig ist. Da es aber keine absolute Verurteilung ist, sein kann, da M. die Mutter zum Überleben braucht, muß M. ein genauso ambivalentes Verhalten entwickeln wie sie es von der Mutter kennt. Die Mutter wird also weiterhin, welches sich auch über die Jahre nicht aufhebt, aufheben kann, mal als "gut" mal als "böse" gesehen.

zu 2.) Auf der Beziehungsseite der Eltern waren ungeheure Spannungen. Zum einen durch das Fremdgehen der Mutter, zum anderen durch das nicht mehr lieben dem Vater gegenüber und den mehrfachen Trennungswunsch der Mutter. Da M. sich mehr und mehr dem Vater zuwandte verlor die Mutter eine Machtposition. Der Vater wiederum befand sich im Zwiespalt das Kind zu lieben aber nicht als Mädchen sondern als Jungen, welches er unweigerlich übertrug. zu 3.) Anhand des lebenden Objektes sah M. das es möglich ist geliebt zu werden. So entwickelten sich für M. Fragen.

  • Warum liebt ihr mich nicht ?
  • Warum liebt ihr mich nicht wie ihr meine Schwester liebt ? ( diese Frage richtet sich hauptsächlich gegen den Vater)
  • Was muss ich tun um so geliebt zu werden ?

In der 1. Frage liegt die Borderline-Störung, in der 2. die spätere Anorexie und in der 3. die spätere Hypochondrie. Der Vater liebte M. dies steht außer Zweifel doch nicht als Mädchen sondern als Jungen. M. war für ihn der Sohn. Dies übertrug er in sein Verhalten und seine Erziehung. Sagen wir einfach auf den Umgang mit M. M. wiederum bekam vom Vater zumindest ein Teil dessen was sie sich wünschte. Ergo sie liebte ihn und der Vater prägte M. somit sehr stark. M. tat nun alles um diese Liebe für sich zu erhalten bzw. einfordern zu können. Das heißt sie wurde mehr und mehr der Junge den sich der Vater ja wünschte. Mit der Ausbildung der weiblichen Geschlechtsmerkmale entwickelten sich für M. weitere starke Verlustsängste. Verlustsängste in der Hinsicht den Vater zu verlieren da ein "Junge" so etwas nicht ausbildet. Den Höhepunkt dieser Ängste bildet in der Regel der Ausbruch der 1. Periode. Hier bricht auch in der Regel die bereits latent vorhandene Anorexie aus (ca. 12. Lebensjahr)

M. hatte also den inneren Konflikt Frau zu werden (wie die Schwester) und die Liebe des Vaters zu verlieren oder " Junge" zu bleiben. Dieser innere Konflikt wird nicht bewusst erlebt. Nur der Zustand "Angst" wird bewusst erlebt.

M. versuchte somit die weibliche Entwicklung aufzuhalten und verfiel in die aktive Anorexie. Bis das, sagen wir, auffliegt können unter Umständen Jahre vergehen. Gleiches gilt für die Bulimie. Sie musste mehr und mehr ansehen wie die Schwester geliebt wurde und wie die Beziehung der Eltern zueinander war. Sie befindet sich mittlerweile zwischen dem 12 und 14. Lebensjahr und nimmt die Dinge sehr bewusst war. In diese Zeit fällt ein traumatisches Ereignis für M. Die Mutter von M. war (wieder mal) auf einer Kur. Wie so üblich lernt sie einen Mann kennen und möchte sich von dem Vater trennen. Dieser sitzt hilflos in der Küche und weint. M. muss mit ansehen wie der Vater, der Mensch den sie über alles liebt, innerlich zusammenrutscht und unfähig des Handelns ist. Der Koffer der Mutter ist gepackt, das Taxi wartet. Die Mutter will M. beim Vater lassen und ist dabei sich zu verabschieden. Für M., können Sie sich vorstellen, eine psychische Katastrophe. Psychisch gesehen entwickelten sich in diesem Moment weitere Ängste, bzw. schon vorher, da sie ja das Verhältnis der Eltern sah, "ist Vater noch bei mir wenn sie sich trennen? Bekomme ich dann noch Liebe?", eine schier ausweglose Situation für M. Ihre letzte Rettung, denn sie braucht die Mutter a) für die Spaltung und b) um wenigstens einen Teil des ödipalen Konfliktes zu lösen, ist der Mutter den Koffer aus der Hand zu reißen, ihn auszukippen, zu schreien und zu weinen, zu toben. Es funktionierte. Die Mutter blieb. Doch was M. nicht verstand war warum die Mutter M. zurücklassen wollte.

M. reagierte nicht anders als 12 Jahre zuvor, nur mit dem Unterschied das sie jetzt älter war und etwas ändern konnte. Dieser Ausbruch war für sie die einzige "Lebensrettung", die Erfahrung die da hieß "ich bin in der Lage mich vor dem seelischen Tod zu schützen wenn ich Mutter und Vater zusammen halte" M. hatte also nicht nur ein traumatisches Erlebnis sondern auch eine einschneidende Erfahrung die so ausgesehen haben könnte "wenn ich so reagiere dann verhindere ich verlassen zu werden". Und siehe da dieses Muster setzt sie bis heute ein und oft genug funktioniert es. Ein weiterer Baustein des Lernens war hier für später "egal was ich tun muss Hauptsache ich werde geliebt" Ab diesem Zeitpunkt übernahm M. unbewusst die Funktion des Bindegliedes dieser zwei Objekte und richtete auch ihre Tätigkeit und Kraft daraufhin aus.

Es ist wohl jedem klar das M. hier bereits unter unerträglichen inneren Spannungen und Konflikten litt. Fassen wir noch einmal kurz zusammen. Die Borderline-Störung war gelegt und hatte sich manifestiert, die Anorexie kam zum Ausbruch und manifestierte sich mittlerweile. Die Anorexie allerdings bezieht sich bei M. nicht nur auf die Liebe zum Vater sondern dient gleichzeitig als Selbstschädigung (der Borderline-Störung) bzw. Selbstbestrafung (aktive Anorexie), aber auch dem Selbstbild "ich bin nicht liebenswert". Sie übernimmt die Verantwortung als Bindeglied zwischen den Eltern. Sie muss die Leistungen eines Jungen erbringen um die Liebe vom Vater nicht zu verlieren. Sie steht im innerlichen Konflikt zu ihrer Schwester die sie dennoch liebt.

Sie übernimmt das Vaterbild (Imago) und kann den ödipalen Konflikt, da von der Mutter, (wenn überhaupt) nur ambivalent geliebt, nicht auflösen.

Ersichtlich ist das M. zu diesem Zeitpunkt bereit vollkommen ge - ver- stört war. Sie sehen auch das M. nichts dafür kann wie sie später auf gewisse Situationen reagiert. Alle Gefühls und Verhaltensmuster basieren auf der gestörten Entwicklung von M. Die Zeit ging ins Land und die Borderline-Störung und Anorexie manifestierten sich mehr und mehr. Die Anorexie überdeckte mittlerweile die Borderline-Störung und M. musste ins Krankenhaus. Wurde auf Bulimie behandelt. (welch ein Schwachsinn). Als geheilt entlassen begann das Spiel natürlich von neuem. Keiner erkannte das ursächliche Problem. Der spätere Verlauf ihres Lebens zeigt aber welche Folgen das nicht Erkennen hatte.

Irgendwann kam die Zeit an der sich M. vom Elternhaus lösen musste. Sie entschloss sich für ein Studium. So verlor sie "Vater" wie sie ihn sah und Mutter. M. hatte, so gesehen, für sich nur 2 Probleme. a) sah sie sich als nicht liebenswert (erfüllte mittlerweile alle Punkte der Borderline-Störung (ICD 10 mit Unterpunkten), b) hatte sich die Anorexie bereits verselbstständigt. Um in dieser neuen kalten Welt bestehen zu können und zu bekommen was sie schon immer suchte (Liebe) griff sie unbewusst zu einer Strategieentwicklung. Was macht eine gutaussehende Frau? Richtig, sie gibt ihren Körper, wenn sie schon keine Seele geben kann. Innerhalb kurzer Zeit war sie auf dem Campus

bekannt als die Frau mit der man...., na Sie wissen schon (Studenten und ehemalige kennen es unter dem Namen Sixpack). Was dahinter für sie steckte merkte natürlich niemand. Bedingt durch die Borderlinestörung erkannte sie sehr schnell das Sex ein Mittel ist der vieles für sie ausglich. Wobei bei M. mehrere Aspekte eine Berücksichtigung finden.

  1. sich zu fühlen
  2. sich geliebt zu fühlen
  3. Spannungsabbau
  4. ausfüllen der inneren Leere
  5. manipulatives Bindungsverhalten, Kontrolle, Macht
  6. Be-Achtung (Selbstwertgefühl)


Siehe auch