Geschichte 1

Aus Borderline Zone
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Der Sommer war ins Land gezogen. Die heilende Kraft der Sonne und die Farbenpracht der Natur öffneten die Herzen der Menschen. Der Rhein zeigte sich in einem faszinierenden Kleid. Wie mit einer Silberfolie überzogen, nahezu geräuschlos, nahm er seinen Weg. Es schien, als sei er ein wenig müde geworden auf seinem langen Weg. Viele Geschichten vermag uns der Rhein zu erzählen. Von Menschen, die ihn besingen und von Menschen, die sich aus Verzweifelung in seine Tiefe stürzen. Aber auch von Menschen, die bei ihm Trost und Entspannung suchen. Unendliche Tränen werden schon mit ihm dahin geflossen sein. Doch all diese Geheimnisse wird er schweigend in sich tragen und unbeirrt seinen Weg fortsetzen. Vorbei an der Stadt, die einst als Siedlung der germanischen Urbier galt und vor mehr als einem halben Jahrtausend als Mitglied der Hanse zu Reichtum und Macht gelangte. Hier in Köln, auf den Stufen zum Dom, saß heute ein junger Mann. Es war Chris. Sein blasses, sorgenvolles Gesicht und die zitternden Hände, waren sichtbare Zeichen einer Krankheit, die er wohl kannte, aber noch nicht für sich akzeptiert hatte. Die Seele weinte und das Herz begann, an Kraft zu verlieren. Das grelle Licht der Sonne ließ seine trüben, graublauen Augen schmerzen. Augen, die längst ihren Glanz verloren hatten. Starr und traurig zugleich schauten sie in eine Welt, die den Frieden pries und den Krieg meinte. Eine Welt, die schon längst ihren einstigen Glanz verloren hatte. Sehnsucht und Ehrfurcht erfüllten Chris, als er auf das Portal des größten Kirchenbaus der deutschen Hochgotik blickte. Durch dieses Portal führt der Weg zu Ruhe und Frieden in einem gigantischen Gotteshaus. Köln, die Großstadt am Rhein war vor mehr als acht Jahren in den Mittelpunkt seines Lebens getreten. Die Geschichte dieser Stadt hatte ihn immer wieder begeistert. Unzählige Male stand er vor den Resten der römischen Stadtmauer. Jede freie Minute nutzte er, um die zahlreichen Museen und Theater zu besuchen. Diese Stadt hatte ihn in ihren Bann gezogen und seinem Leben einen neuen Sinn gegeben. Hier fand er eine neue Partnerin, die ihn aufnahm in einer schmerzlichen Zeit der Trennung von seinen kleinen Kindern. Doch heute schrieb das Leben ein neues Drehbuch für Chris und er spürte, dass er mehr als diese mitreißende Stadt und ihre Bewohner verloren hatte. Tiefe Einsamkeit erfasste ihn. Unsicher schaute er um sich. Da standen fröhliche, junge Leute beieinander. Ihr herzhaftes Lachen und ihr Dialekt ließ sie liebenswürdig erscheinen. Selbstbewusst genossen Sie das Flair ihrer Stadt. Für einen kleinen Moment erwachte in Chris der Wunsch, in ihrer Mitte zu sein. Zogen sie ihn doch in ihre Welt und ließen ihn unbemerkt teilhaben an ihrer Lebensfreude. Bewegt, verlegen und gerührt zugleich, blätterte er in der Tageszeitung.


>>Was ist nur los mit mir?<< fragte sich Chris, als er begann, über sein Leben nachzudenken. Die Erinnerung entführte ihn in eine längst vergangene Zeit und ließ die Gedanken hin und her springen. Von seinen kleinen Söhnen in die eigene Kindheit und von den jungen Leuten in die Jugendzeit. Freude und Tränen waren Ausdruck dieser wechselhaften Gefühle. >>Warum...<<, flüsterte Chris kaum hörbar, >>...warum lasse ich die schönen Erlebnisse meiner Kindheit und Jugend nicht aufleben, um Kraft für einen Neubeginn zu sammeln?<< Gleichzeitig aber fragte er sich, wie lange er noch ohne die Gegenwart auskommen würde. Gedanken, Gefühle und Erinnerungen bewegten ihn und zurück kam die Lebensangst. Die Ungewissheit aber vor der Zukunft, schien ihn zu erdrücken. Begleitet von Unsicherheit, Selbstmitleid und Trauer erinnerte sich Chris daran, dass er eigentlich dieses Gefühl der Lebensangst gar nicht kannte. Als ihm klar wurde, dass er die Hälfte des Lebens bereits hinter sich hatte, wuchs in ihm der Wunsch, sein Leben zu ändern. Einfach zurück finden in ein Leben voll Heiterkeit und Frohsinn. Aber Chris wusste auch, dass ein schwerer Weg vor ihm lag. Längst hatte er erkannt, dass die heutige Art in Sorgen und Ängsten zu leben, ebenso ein Teil von ihm ist, wie die Zeit der Lebensfreude und des Lebensmutes. Heute aber siegte die Angst und es fehlte ihm der Mut zur Auseinandersetzung mit ihr und mit sich selbst. Chris brauchte Menschen um sich herum, mit denen er lachen und weinen durfte. Freunde, die bereit waren, auch das Leid mit ihm zu teilen. Aber auch Menschen, mit denen er fruchtbringende Gespräche führen konnte. Nicht zuletzt Menschen, die seine Hilfe suchten. Heute, heute vermisste er Freunde, denen er sich hätte anvertrauten können. Freunde, deren Hilfe er so dringend benötigte. Er musste nur wieder auf sie zugehen. Aber dazu hatte er nicht mehr die Kraft, es hinderte ihn auch der Rest an Stolz, den er sich bewahrt hatte. Schließlich fehlte ihm die Anerkennung, die er seit der Sucht suchte. Ein kleines Lob nur zur Stärkung seines Selbstbewusstseins. Wie eine Schlange legten sich quälende Fragen, Zweifel und Ängste um seinen Hals und begannen, ihm die Luft zum Atmen zu nehmen. So beschloss Chris, die Vergangenheit aufleben zu lassen. Sie noch einmal in der Erinnerung zu durchleben. Nur so, glaubte er, könne er sich von den vielen Ängsten befreien. Ängste und Zweifel, die ihn begleiteten, ihn lähmten und vielleicht in die Abhängigkeit trieben. Sie verfolgten ihn Tag und Nacht und ließen ihn nicht mehr ruhen. Sie wühlten in seiner Seele und begannen, ihn lebensuntüchtig zu machen. Dieses engmaschige Netz von Problemen wollte Chris durchtrennen. Oberflächlich schaute er noch einmal in die Tageszeitung. >>Muss ich denn erst sterben, um zu leben?<< rief Chris, ehe er sich auf den Weg in die Gegenwart begab. Der leichte Sommerwind aber trug seine Worte hinaus in die unendliche Weite des Horizontes. Es sollte ein schwieriger, von Rückschlägen gezeichneter Weg werden. Nicht nur zurück in die Gegenwart, sondern auch in eine ungewisse Zukunft!


Chris hatte kaum Nahrung zu sich genommen. Sein Magen schmerzte, die Hände zitterten. Der Kreislauf hatte an Stabilität verloren und die graublauen Augen waren rot unterlaufen. Die Haut wirkte grau, spröde und ausgetrocknet. Alkohol, Tabletten und Kummer hatten aus einem lebensfrohen, aufgeschlossenen Mann ein nahezu kraftloses Geschöpf gemacht. Körper und Seele waren in großer Gefahr. Auch an diesem lauen Sommermorgen, war der Alkohol seine erste Nahrung. Der täglich wiederkehrende Kampf zwischen Abhängigkeit und Ohnmacht begann. Die Sucht war schleichend und stets bemüht, die Kontrolle über seinen Körper zu übernehmen. Noch spürte Chris die spöttischen Blicke der Menschen um ihn herum. Viele von ihnen warteten, aus welchen Gründen auch immer, auf seinen abgrundtiefen Sturz. Er sah sie wohl, die Tränen seiner zweiten Frau und er hörte sie, die Worte der Ärzte. Doch ändern konnte er nichts. Das tat ihm sehr weh. Der Wirklichkeit war er entflohen. Tag für Tag spielte Chris die gleiche Rolle in einem vom Alkohol inszeniertem Theaterstück, das so kein gutes Ende finden konnte. Auch an seinem Arbeitsplatz sah er den Spott in den Augen der Kollegen. Sie hatten längst sein Problem erkannt. Aber sagen würden sie es nicht. Sie alle spielten mit in einem Schauspiel, in dem Mitleid geheuchelt und Freude empfunden wird. In dem Vertrauen angeboten und Misstrauen gemeint ist. Da stand Chris nun im Mittelpunkt und doch war er längst ins Abseits geraten. Dennoch war er stets für seine Kollegen da. Er half ihnen auf dem Weg zum Erfolg. Zeigte Verständnis für Ihre Ängste und versuchte, sie zu stärken, wenn ihre Kräfte schwanden und die Sorgen des Alltags auf ihren Schultern zu schmerzen begannen. Mittags fuhr Chris in ein nahe gelegenes Restaurant. Unzählige Male hatte er sich gefragt, woran es wohl liegen mag, dass er schon tagsüber den Alkohol braucht. War er einst angetreten, Seelsorger zu werden, so wusste er heute um die Unzufriedenheit in seinem Beruf. Chris fühlte, wie der tägliche Kampf um die Verkaufszahlen und Gewinne, aber auch um Kosten und Verluste an ihm zehrte. Täglich musste er sich diesem Kampf stellen. Stets offen für ein freundliches Gespräch mit Mitarbeitern und Kunden. Offen aber auch für die Bedürfnisse und Wünsche seiner Frau. Erst im Schutz der Dunkelheit verließ Chris das Geschäft. Sein Ziel an diesem Abend war nicht seine Familie, sondern eine kleine Kneipe. Jeder lauschte dort interessiert und bewundernd seinen Geschichten und beherzte dankbar seine Ratschläge. Unaufhaltsam spielte die Sucht ihr falsches Spiel und versuchte, sich tief in Chris hinein zu bohren. Ihre Macht war schleichend und stark. Auf die Schwächen ihrer Opfer lauernd. Tag für Tag, Woche für Woche und Jahr für Jahr! Die Ohnmacht wuchs und mit ihr die Angst. Der Alkohol aber linderte sie nicht. Er verdrängte sie in einen Ballon, der jeden Augenblick zu platzen drohte. Angst, dieses herzzerreißende, ungewisse Gefühl der Bedrängnis, beherrschte Chris und Krankheiten nisteten sich in seinem wehrlosen Körper ein. Eines Tages wird der Alkohol seinen Sieg davon tragen. Einen geschundenen Körper wird er zurück lassen. Eine vereinsamte Seele und ein krankes Herz. Die Sucht, sie wird es weiter versuchen. Nicht nur heute. Sie hat Zeit und ein Heer von Verbündeten! >>Bleibe so, wie du bist, Chris!<< Wie oft hatten die Menschen ihm das zugerufen. Damals ebenso, wie heute. Sie alle kannten nur den freundlichen und hilfsbereiten Chris. Damals ebenso, wie heute. Sie sahen nicht die Tränen in der Nacht und kannten nicht seine Sehnsucht nach beruflicher Erfüllung. Niemand hörte den Aufschrei seines Herzens, wenn er an seine Kinder dachte und niemand erkannte die andere Sucht. Die Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit.


Ein neuer Tag schickte sich an, die Nacht zu verdrängen und die Sonne versuchte, ihre ersten Strahlen auf die noch schlafende Stadt zu senden. >>Es wird wohl ein schöner Sommertag werden<< dachte Chris und entschloss sich, einmal das Erwachen der Stadt zu beobachten. Der Alkohol hatte sein Empfinden getrübt. Grau, trist und verschwommen zeigte sich die Natur. Verloren sein Sinn für ihre Farbenpracht. Leise trug der Sommerwind die Melodie eines Glockenspiels zu ihm herüber. Die Vögel waren die ersten, die mit ihren lauten Gesängen den neuen Tag begrüßten. Langsam bemerkte auch Chris das Erwachen der Blüten im Stadtpark und er hatte den Eindruck, als habe der Rhein ein neues Kleid bekommen. Seine Strömung war kaum zu bemerken. Die feinen Sonnenstrahlen spiegelten sich in dem dunklen Wasser. Die Natur hatte Chris eingeladen. Zu einem Gespräch mit ihr, mit Gott und mit sich selbst. Nicht nur der Alkohol machte ihm in dieser Zeit zu schaffen. Es war der frühe Tod seines Bruders, den er nicht fassen konnte. Doch unter der Trennung von seinen eigenen Kindern schien Chris am meisten zu leiden. Nur die kleinen Wolken dort oben am leuchtend blauen Himmel sahen die Tränen, die Chris in diesen Minuten weinte und sie hörten die Melancholie in der Stimme seines Herzens. Schmerzliche Erinnerungen quälten ihn. Wenige Schritte von hier stand er schon einmal und litt unter der Trennung von seiner jungen Familie. Es war die Zeit, als der Rhein Trauer trug. Von den nahen Kirchtürmen hallte das Geläut der Totenglocken über den Rhein. Die Welt hatte einen großen Staatsmann verloren. Eine Schar kleiner, neugieriger Vögel gesellte sich zu Chris. Es war, als spürten sie seinen Schmerz und Chris war sichtlich bemüht, die kleinen Geschenke der Natur auseinander zu halten. Da glaubte er eine Bachstelze entdeckt zu haben, die sich gern in der Nähe von Wasser, Menschen und Gebäuden aufhält. Ein wenig abseits, auf dem wärmenden Dach eines kleinen Kiosks an der Uferpromenade, saß deutlich erkennbar, ein Hausrotschwanz. Nicht nur unüberhörbar, auch unübersehbar, zeigten sich die Spatzen. Frech und furchtlos, scheu und vorsichtig zugleich. Sie alle wunderten sich wohl, so früh durch den Besucher in ihrem fröhlichen Treiben gestört zu werden und doch erfüllten sie froh ihren Auftrag, die Menschen mit ihrer Vielfalt von schönen Gesängen zu wecken. Noch einmal folgte Christ dem Flug der Möwen und lauschte den Stimmen der Singvögel. Noch einmal wanderten seine Blicke über den Rhein bis hin zum gegenüber liegendem Ufer und noch einmal schaute er hinauf zum Himmel. Hier suchte er die Lösung für sein Problem. Von hier erwartete er Hilfe und Rat und er hat sie angenommen, die Einladung der Natur. Zu einem Gespräch mit Gott und mit sich selbst. Die Sonne entwickelte immer mehr Kraft und ließ langsam aus der Nacht den Tag entstehen. Ihre wohltuende Wärme und ihr strahlendes Licht öffneten nicht nur die Herzen der Menschen. Auch die Blüten in den kleinen Bepflanzungen am Ufer öffneten ihre Kelche und zeigten sich in ihren schönsten Farben. Als die Glocken des Doms mit dumpfem Klang den neuen Tag einläuteten, empfand Chris Glück und Zufriedenheit. Die Stadt erwachte und mit ihr die Sorgen und Nöte so vieler Menschen. Die kleinen Vögel zogen sich zurück und wichen den hektisch dahin eilenden Menschen. Chris aber verweilte noch einen Moment am Ufer des Rheins. Dort, wo er als Junge einmal den Rhein durchschwommen hatte und dort, wo er nach vielen Jahren den Kontakt zu Gott und der Natur wieder fand.


Am späten Abend ging Chris mit seiner Frau durch die kleinen Gassen der Altstadt am Ufer des Rheins. Seine Blicke waren starr und unbeschreibliche Angst begleitete ihn. Immer wieder blieb er stehen und drückte seine Frau fest an sich. >>Die Angst vor einem aussichtslosen Kampf gegen den Alkohol ist es, die mich zu entmutigen scheint.<< Seine Worte klangen traurig und deprimiert. >>Was für ein riesiges, unüberschaubares Heer an Lebensbrutalität hat sich da gegen mich aufgebaut. Wehrlos stehe ich ihm gegenüber! Ich glaube aber, nicht nur der Alkohol machte mir in dieser Zeit zu schaffen. Es war der frühe Tod meines Bruders. Als wenig später auch noch Oma starb, gab ich wohl den letzten Widerstand auf<< Chris schämte sich der Tränen nicht, die er in diesen Minuten weinte. Tiefer Schmerz durchbohrte sein Herz. Trauer, unendliche Trauer überkam ihn. Der ganze Körper bebte, als er begann, über den Tod seines Bruders zu sprechen. >>Mein Bruder hat gekämpft und doch verloren! Einen aussichtslosen Kampf hat er geführt, um den Krebs zu besiegen. Doch der Tod war der Sieger.<< Für einen Augenblick schien es, als versage Chris die Stimme. Die Erinnerung aber war stärker und ließ ihn neue Worte finden. >>Der Sieger über das Leben wird sie schnell vergessen, die Trauer und die Rufe der Kinder nach ihrem Vater. Vergessen wird er auch die Stunden der Angst und den Glauben an die Hoffnung. Vergessen, den verzweifelten Kampf einer Familie.<< Entsetzen und ohnmächtiger Zorn beherrschten die Gefühle von Chris. Er weinte bitterlich. >>Danach fragt der Tod nicht!<< rief er. >>Tiefe, unbeschreibliche Trauer hatte uns erfasst, in jener Zeit, in der wir alle von Hoffnung erfüllt waren.<< Chris war tief erschüttert und der Gedanke, dass ihm von seinem Bruder nur die Erinnerung geblieben ist, ließ ihn keine Ruhe finden. >>Wer ist das, der einer Mutter ihr Kind stiehlt?<< Eine beängstigende Stille lag über den von der Dunkelheit der Nacht verschlungenen Dächern der Altstadt. >>Wer ist das, der zusehen kann, wie einer Mutter das liebende Herz herausgerissen wird?<< Ziellos irrte Chris mit seiner Frau durch die schmalen Gassen. >>Was alles muss ein Mensch noch ertragen, um zu wissen, dass er Mensch ist?<< Es fiel ihm schwer, in diesem Augenblick an die gemeinsame Kindheit zu denken. Die Erinnerung aber führte ihn zurück in die schönen Jahre mit seinem Bruder. Irgendwie wollte er es auch. Ein leichtes Lächeln erhellte sein ernstes und trauriges Gesicht, als er an das Leben mit seinem Bruder dachte. Getragen von den gemeinsamen Stunden kindlichen Glücks und unvergesslicher Erlebnisse. Zurück aber kamen die Tränen, als er an seine Tante dachte. So geduldig, wie sie die Geschwister bei ihren Spielen beaufsichtigte, so geduldig ertrug sie die Last, die ihr das Leben auf die Schultern legte. >>Was für eine Kraft muss meine Tante besessen haben<<, sagte sich Chris. >>Sie hat sich nie beklagt. Sie hat von dem Wenigen was sie besaß, alles gegeben. Sie war schwer krank und versuchte stets, ihre Schmerzen nicht zu zeigen. Schmerzen, die nur mit Morphium zu ertragen waren.<< Wieder blieb Chris stehen und schaute in die unendliche Weite des Nachthimmels. >>Wie dicht nur liegen Glück und Trauer beieinander<<, ergänzte er mit wehmütiger Stimme. >>Sie hat sich so auf die Geburt meines ersten Sohnes gefreut. Wenige Tage vorher verstarb sie, meine Tante Anna.<< Wieder schaute Chris in den sternklaren Himmel und noch einmal nahm er Abschied von seinem Bruder, seiner Großmutter und von seiner Tante. >>Ich habe sie alle sehr geliebt!<< rief er hinaus in die Dunkelheit. Noch einmal an diesem Abend drückte er seine Frau fest an sich und noch einmal wischte sie ihm liebevoll die Tränen ab.>> Ich muss einfach weinen, verstehst du das?<< Das waren die Momente, in denen der Alkohol seinen grausamen Feldzug fortführte. Jeden Augenblick wird Chris wieder Trost in ihm suchen.