Liebe und Hass

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Oder: Eros vs. Thanatos

Beschäftigen wir uns in diesem Kapitel einmal kurz mit der Liebe und dem (Gegenstück?) Hass. Fragen wir, was nun eigentlich Liebe ist, kommen wir schon ganz schön ins Schleudern.

Per psychologischer Definition ist es erst einmal ein positives Gefühl, welches keine Veränderung wünscht. Eine treffend zutreffende, aber dennoch ziemlich lapidare, Erklärung, finden Sie nicht? Lassen Sie uns ein wenig genauer hinschauen.

Seit Jahrhunderten versuchen Dichter und Philosophen eine Erklärung für dieses kleine und doch so mächtige Phänomen zu finden. Manche von Ihnen würden sagen, es ist das unerklärbare Gefühl im Bauch, Flugzeuge im Bauch, sich nach dem anderen zu verzehren. Wieder andere sagen, es ist Vertrautheit, Extase, Leidenschaft, dem anderen helfen, "sie/ihn" verstehen ohne Worte, die Nähe, die Symbiose, die absolute Verschmelzung, Vertrauen, sich aufeinander einlassen können, sich öffnen, beschützt werden, sich fallen lassen können und zu wissen man wird aufgefangen. Die Liste ließe sich wohl beliebig lang fortsetzen und jeder versteht unter Liebe etwas anderes, bzw. für jeden hat sie eine andere Bedeutung.

In der Tat, ist es (diese Gefühl-genannt Liebe) mystisch und allumfassend. Ich persönlich neige dazu es als das fünfte Element, nach den vier Elementen Feuer, Wasser, Luft und Erde, zu bezeichnen. Warum das fünfte Element? Zum einen verbindet die Liebe, nach uraltem Glauben, diese vier Elemente und zum anderen wird Sie das Feuer nicht wärmen können wenn Sie nicht geliebt werden, daß Wasser wird Sie zwar am Leben erhalten und Sie können überleben ohne Liebe, doch nicht leben, die Luft die Sie ohne Liebe atmen wird Ihnen die Kehle zu schnüren und die Erde in die Sie Ihre Saat geben wird ohne Liebe Leid hervorbringen.

Einig sind wir uns wohl alle das es das höchste und reinste aller Gefühle, doch von den wenigsten mit Dankbarkeit und Respekt behandelt, ist. Warum am wenigsten mit Dankbarkeit und Respekt behandelt, einem Gefühl gegenüber, fragen Sie? Schauen Sie sich um, blicken Sie in die Geschichte. Kriege sind geführt, ja ganze Völkerstämme sind ausgerottet, worden im Namen der Liebe. Jeder Glaube zelebriert die Liebe und das Ergebnis ist oft genug Mord, Okkupation und Terrorismus. Sogar in der kleinsten Zelle der Gesellschaft, in der Zweierbeziehung, geschehen Dinge unter dem Deckmantel der Liebe, die jeder Beschreibung spotten. Bis hin zum kleinsten unschuldigsten aller Wesen, dem Kind, wird im Namen der Liebe geschlagen und missbraucht, (es wird erzogen).

Lassen Sie uns zuerst unterscheiden zwischen Liebe und Verliebtheit.

Die Verliebtheit, ein Gefühl, welches wir als so außergewöhnlich bezeichnen, hat leider nichts mit der Liebe zu tun. Aus ihr kann sich Liebe entwickeln, doch sie muß keineswegs am Anfang einer "Liebes-Beziehung stehen.

Reduziert betrachtet ist Verliebtheit nichts weiter als ein biochemischer Vorgang im Hirnstoffwechsel. Nämlich eine Überproduktion von Serotonin, Dopamin, Noradrenalin, gewissen Endorphinen (Neuropeptiden, körpereigenen Opioiden).

Sie ist die Erwartung, die Hoffnung auf Erfüllung der "Wünsche".

Die Liebe wurde in der hellenistischen Kultur (den alten Griechen) als der Gott Eros verehrt. Eros, als einer der ältesten Naturgötter, wurde kosmologisch (allumfassend) und als Sohn des Chaos, daß die weltzeugende Prinzip, gesehen. In der Liebe selbst als Liebesgott, Sohn der Aphrodite und des Zeus (Amor), bezeichnet er das männliche Prinzip in der Geschlechterliebe, im Gegensatz zu Agape, dem weiblichem Prinzip.

Agape heißt im lateinischen Caritas. Womit wir bei Erich Fromm sind, der die Liebe in zwei Bereiche unterteilt. In Eros und Agape. Agape bezeichnet die leidenschaftslose Liebe, die aufopfernde, sich verschenkende, hingebende Liebe, auch zum Nichtliebenswerten. Unter anderem, wie Sie an der lateinischen Übersetzung Caritas sehen, auch die christliche Liebe.

In dieser Liebe fühlen sich zwei Menschen aufrichtig und ehrlich gebunden.

Sie teilen grundsätzliche Werte, Interessen und Ziele und tollerieren die Individualität des Anderen. In dieser Liebe gibt es keinen Liebesentzug oder den Versuch, den Anderen nach seinen Vorstellungen zu formen, zu biegen. Die Stärke dieser Liebe bemißt sich am Grad des gegenseitigen Vertrauens und Respekts. Sie ist ausgerichtet auf die Förderung des Anderen, daß heißt die gegenseitige Förderung. Sie läßt Teilung in allen Bereichen zu. Beide Partner sind nicht nur Liebende, sondern auch jeweils die wichtigsten und engsten Freunde für einander. Hier stehen Vertrauen, Fürsorge, Toleranz gegenüber den Fehlern und Eigenarten des Partners, sowie eine emotionale Empfindung, die eher durch Herzlichkeit (mit dem Herzen) und tiefe Zuneigung, als durch stürmische gefühlsmäßige Leidenschaft, gekennzeichnet ist im Vordergrund.

In dieser Liebe sind die Partner gegenüber sich und dem anderen ehrlich, denn diese Ehrlichkeit begründet das Vertrauen und den Respekt. Klarheit, Sicherheit, tiefe Zuneigung, Verständnis, tiefe Freundschaft, gegenseitige Unterstützung in allen Bereichen sind die Markenzeichen einer Agapebeziehung. Eros dagegen bezeichnet die leidenschaftliche, allumfassende, sich verzehrende Liebe. Die schmerzhafte Sehnsucht, das Begehren des anderen, das Geheimnisvolle, nicht klar Fassbare, das Mystische. Die Stärke dieser Liebe bemisst sich an der Intensität des Begehrens und an der Bereitschaft für die Beziehung Not zu ertragen, Schmerzen zu erleiden und Hindernisse zu überwinden. Da es eine leidenschaftliche Liebe ist, die jede Faser des Körpers bis zur Schmerzhaftigkeit durchdringt, gehört zu dieser Liebe immer das Leiden. Erregung, Extase, Erschütterung, Angst, Spannung, Sehnsucht und Unergründlichkeit sind ihre Markenzeichen.

Leidenschaftliche Liebe (Eros) mag zunächst fantastisch sein, denn wer schwebt nicht gerne mit körpereigenen Drogen auf Wolke 7. Doch die stabilisierenden Kräfte einer guten langfristigen Beziehung sind leider weniger aufregend.

Für beide, für Eros, wie für Agape gibt es genug Verfechter und für jeden ist eben nur Eros oder Agape die wahre Liebe. Es scheint fast, als ob in diesem Kontinuum auf der einen Seite Eros und auf der anderen Seite Agape besteht.

Doch in Eros und in Agape besteht noch mehr. Nämlich der Widerspruch des Menschen an sich. Sein Drang nach Vereinigung, nach "Ganzwerdung", der ein "Getrenntsein" voraussetzt. Was uns über den Widerspruch zu einem Paradoxum führt. Zwei Menschen möchten "eins" werden. Sie sind eigenständige Wesen und wollen es, trotz "eins werden" (die Verschmelzung zu einem Wesen), auch bleiben. Wie läßt sich das vereinbaren?

Begierde ist zunächst einmal ein mit der Vorstellung des Ziels verbundener Antrieb. En durch Mangel bedingtes Unlustgefühl, (hier zum Bsp. Mangel an Liebe oder Sex) wird zur Begierde wenn die Vorstellung des Zustandes, oder Gegenstandes (Person) hinzukommt, der diesen Mangel beseitigen kann, also zur Befriedigung führt.

Echte Liebe braucht als Grundbedingung die Intimität. Damit ist nicht die körperliche Vereinigung von Mann und Frau gemeint. Intimität ist die Fähigkeit zu einer festen Bindung an eine andere Person und zwar sexuell, emotional und moralisch. Die Betonung liegt hier auf Fähigkeit und fest. Intimität braucht wiederum vier Voraussetzungen. Erstens setzt sie Offenheit, zweitens Mut, drittens moralische Stärke und viertens die Fähigkeit bei den eigenen Vorlieben Kompromisse eingehen zu können, voraus.

Echte Liebe ist somit Ausdruck innerer Produktivität und Fürsorge, welches Achtung und Verantwortungsgefühl impliziert. Sie kann somit nicht Ausdruck von Besitzanspruch, Machtbedürfnis und Lüge sein.

Die Liebe ist wie eine zarte Blume, sie ist eine zarte Blume und jede Lüge ist Gift, welches sie ein Stück sterben läßt. Dabei spielt es keine Rolle, wenn Sie doch sonst so ehrlich sind. Es spielt auch keine Rolle, ob es für Sie eine Lüge ist oder nicht. Die Entscheidung liegt dann nicht mehr bei Ihnen, dem Sender der Information. Diese Entscheidung liegt beim Partner, er entscheidet anhand seiner ihm zur Verfügung stehender Informationen, die nicht immer nur faktisch/ logisch sind, ob es eine Lüge ist. Sie haben die Information gesendet und tragen die Verantwortung über den Inhalt.

Im Moment der Lüge brechen drei Intimitätsvoraussetzungen zusammen. Offenheit, Mut und moralische Stärke.

Eine Lüge, und das ist eine Tatsache, zerstört zehn Wahrheiten. Im Umkehrschluß verstärkt eine Wahrheit (Offenheit) nicht zehn mal mehr das Vertrauen bzw. die Intimität.

Erlauben sie mir einen kurzen abstecher in die heutige Psychologie.

Die leidenschaftliche Liebe (Eros) lässt sich psychologisch in zwei Arten aufspalten:

  • die verblendete Liebe und
  • die romantische Liebe

Beide sind von hoher Leidenschaft und niedriger Bindung. Der Denkfehler der meisten Menschen liegt darin, dass sie glauben je leidenschaftlicher oder romantischer die Liebe ist, desto höher ist die Bindung.

Art Intimität Leidenschaft Verbindlichkeit
mögen hoch niedrig niedrig
verliebt sein (verblendete Liebe) niedrig hoch niedrig
romantische Liebe hoch hoch niedrig
kameradschaftliche Liebe hoch niedrig hoch
erfüllte Liebe hoch hoch hoch

Die Komponente "Verbindlichkeit" drückt die Bereitschaft aus die Beziehung aufrechtzuerhalten!

Kommen wir zu der Frage, warum die Liebe abflaut, warum wir uns auf die Suche nach einem anderen Menschen begeben, in der Hoffnung, dort sei alles besser. Zu dieser Illusion trägt die sexuelle Begierde bei, denn diese strebt nach Vereinigung und ist keineswegs nur ein körperliches Verlangen und sie ist aber auch keineswegs die Lösung einer quälenden inneren Spannung. Die sexuelle Begierde vermischt sich leicht mit allen starken Emotionen und diese beiden stimulieren sich gegenseitig. Das sexuelle Begehren wird also zum Irrtum, im dem wir glauben, wir lieben, wenn wir körperlich begehren.

Diese sexuelle Anziehung erzeugt im Augenblick die Illusion der Einheit, der Symbiose, nach der der Mensch, insbesondere die Borderlinepersönlichkeit, strebt. Zum anderen geht die Phase der Verliebtheit, die Phase der großen Intensität und Erfüllung in die Phase größerer Intimität über. Hier sehen Sie, wie oft die Menschen beides verwechseln. Die erste Phase wird somit auch als "passsionate Love" und die Phase der größeren Intimität als "companionate Love" bezeichnet.

Und letztlich regelt sich der Hirnstoffwechsel auf ein normales, wenn auch erhöhtes, Maß zurück.

So manche Beziehung würde noch bestehen, wenn der Mensch sich dieser drei normalen Vorgänge bewußt wäre und nicht immer, oder wie die Borderlinepersönlichkeit, Verliebtheit mit Liebe verwechseln würde.

Wie viel Egoismus darf aber nun die erotische Liebe beinhalten?

Egoismus ist dem Altruismus entgegengesetzt. Er setzt das eigene Ich (Ego) in den Mittelpunkt einer Beziehung. Der Altruismus bezeichnet die Fähigkeit zur Rücksichtnahme auf den andern bzw. andere, die Selbstlosigkeit in Denken, Fühlen und Handeln.

Da der Altruismus dem Selbsterhaltungstrieb, der ja in den meisten psychischen Modellen als zentrales Motiv allen Verhaltens angesehen wird, widerspricht, wäre er per Definition als Selbstlosigkeit in Denken, Fühlen und Handeln in einer Beziehung unmöglich.

Wenn wir ihn aber als Fähigkeit der Rücksichtnahme verstehen, ist er möglich.

Die Fähigkeit zur Rücksichtnahme benötigt allerdings eine entscheidende Grundlage und diese heißt Emphatie, also die Fähigkeit sich die Dinge mit den Augen des anderen betrachten zu können und vor allem dies auch zu wollen. Doch auch hier darf der Altruismus nicht in die Selbstaufgabe für den anderen abgleiten. Vom Prinzip her bezeichnet der Altruismus bzw. die absolute altruistische Liebe die Mutterliebe. In ihr (abgesehen von der Mutterliebe fast aller Borderline-Persönlichkeiten) besteht die höchste und reinste Form des Altruismus.

Der Egoismus ist eher in der Erosbeziehung und der Altruismus eher in der Agapebeziehung zu finden. Das heißt nicht, daß es keinen Altruismus in einer Erosbeziehung gibt. Doch egal, ob Eros oder Agape, Liebe heißt zuerst einmal geben und nehmen im Gleichgewicht. Das Geben ist nicht an Bedingungen geknüpft, wie es in einer Borderline-Beziehung, die übrigens immer eine Erosbeziehung ist, üblich ist und im Nehmen dürfen keine Schuldgefühle impliziert werden. Wenn im Nehmen das Gefühl der Dankbarkeit vorhanden ist wird man auch gerne geben. Das heißt, das in der Liebe für den Egoismus wie auch für den Altruismus, ein gesundes, für beide akzeptables, Mittelmaß gefunden werden muß.

Ist die Liebe darauf ausgerichtet, entweder nur meine oder nur die Wünsche des Partners zu befriedigen, dann ist es keine Liebe.

Nach Freud würde die volle und ungehemmte Befriedigung aller triebhaften Wünsche seelisches Glück und Gesundheit nach sich ziehen. Das dem leider nicht so ist, sehen wir an vielen Beispiele. Ein solches Beispiel wäre die Borderline-Beziehung, auch die narzisstische Beziehung.

Der Narzissmus ist die erste Stufe der menschlichen Entwicklung und liegt in der oralen und analen Phase.

Wie schon erwähnt, ist in jedem Menschen ein Narzissmus vorhanden, ein narzisstisches Gleichgewicht. Läuft das Gleichgewicht aus dem Ruder, d.h. es besteht kein narzisstisches Gleichgewicht mehr, wird die Liebe mit Ego besetzt und macht sie auf Dauer unmöglich.

Wir wissen bereits, daß ein Narzisst auf die Stufe der oralen und analen Phase, bzw. anal-sadistische Phase zurückfällt und sein Objekt mit der damalig zugehörigen Libido, diese beinhaltet aber auch die damalig zugehörigen Aggression, besetzt. Er fordert nicht nur den Altruismus, wie ihn nur die Mutter liefern kann, d.h. die absolute Selbstlosigkeit in Denken, Fühlen und Handeln, vom anderen ihm gegenüber, sondern obendrein auch noch Eros.

Der Leser mag selbst entscheiden, ob die narzisstische Persönlichkeit lieben kann.

Nun wissen wir aber auch, daß die Borderline-Störung sehr oft einen pathologischen Narzissmus beinhaltet. Oder anders herum, wie Kernberg es sieht, der die narzisstische Störung, in der Persönlichkeitsorganisation, unter die Borderline-Störung einordnet, wobei er zwischen neurotischer und psychotischer Organisation unterscheidet.

Das spielt aber im Falle der Liebe keine Rolle, da es sich in beiden Fällen, der narzisstischen Störung und/oder Borderline-Störung um die neurotische Liebe oder die Pseudoliebe handelt.

Pseudoliebe ist wenn jemand kein ausgeprägtes ICH hat, also nur ICH- Fragmente besitzt neigt er dazu den "Geliebten" zu vergöttern, ihn zu idealisieren. Das Problem hierbei ist, daß sich derjenige im "Geliebten" verliert, anstatt sich im anderen zu finden. Da in der Regel der "Gott", der "Geliebte" nicht auf Dauer den Erwartungen entsprechen kann, kommt es zwangsläufig zu Enttäuschungen, die sich dann naturgemäß zunehmend häufen. Doch da diese Liebe abgöttisch ist, wird sie als die einzige, wahre, große Liebe bezeichnet, bzw. so gesehen.

Da aber die Seele arbeitet und irgendwann nicht mehr in der Lage ist, diesen Widerspruch zu verarbeiten, bzw. aufrechtzuerhalten, schreitet man zu einem neuen "Gott". In Wirklichkeit ist es der Hunger und die Verzweiflung des "Enttäuschten".

In der neurotischen Liebe werden Projektionsmechanismen verwendet, um den eigenen Problemen aus dem Weg zu gehen. Es wird sich konzentriert auf die Fehler und Schwächen der "geliebten" Person und man (der Narzisst) entwickelt ein sehr feines Gespür für diese. Man ist somit immer darauf bedacht, der "geliebten" Person Vorwürfe machen zu können.

Anhand beider Lieben, der Pseudoliebe, wie auch der neurotischen Liebe, sehen Sie wiederum, das eine Borderlinepersönlichkeit sich nicht auf eine, im Gegensatz zum Narzissten, der die neurotische verwendet, Liebe festlegen lässt, da sie beide Formen innerhalb einer Beziehung verwendet. Kommen wir wieder zum seelischen Glück, der Liebe. In oder durch die Liebe strebt der Mensch nach Vereinigung, besser gesagt nach Wiedervereinigung. In der Aufhebung des Gespaltenseins versucht er ganzheitlich zu werden. Sehr schön zu sehen bei der Borderlinepersönlichkeit im Suchen und Streben nach der Symbiose, nach der Verschmelzung mit dem anderen, ihrem Ideal.

Einer der Gründe für das Suchen, nach Aufhebung des "Getrenntseins", ist der Urzustand, den jeder von uns einmal erlebte, der allerdings aus dem Gedächtnis nicht mehr bewusst abrufbar ist. Wir "wissen" nur, da war etwas. Dieser Urzustand sind die neun Monate im Mutterleib und für viele Menschen die darauffolgenden 1,5 Jahre. Die Einheit von Mutter und Kind in der vollkommensten Form.

Doch auch wenn uns logisch bewusst ist, daß dieser Zustand nie wieder zu erreichen ist, bis auf eine annähernden Ausnahme (z. Bsp. bei der Droge Heroin) versuchen wir dennoch, natürlich unbewusst, diesen Zustand höchsten Glücks, Zufriedenheit und Ganzsein, wieder zu erreichen. Die Liebe hat somit immer etwas mit Gespaltensein oder auch mit Spaltung, Getrenntsein des Menschen zu tun. Ich spreche hier nicht von der psychologischen Spaltung, dem kindlichen Abwehrmechanismus, des ICH.

Lassen Sie uns noch ein wenig bei dieser Suche bleiben. Dazu begeben wir uns wieder auf den philosophischen Pfad der alten Griechen.

In der altgriechischen (hellenistischen) Philosophie spricht Platon davon, daß alle Menschen ursprünglich eine Art "Doppelmensch", mit zwei Gesichtern, vier Armen und Beinen, zwei Seelen, etc., waren. Diese Wesen, die "Doppelmenschen", frevelten den Göttern. Zur Strafe zerteilten die Götter diese Wesen in zwei Hälften und verstreuten beide Teile in entgegengesetzten Gegenden der Welt. So entstand der heutige Mensch. Fortan litt der Mensch an dieser Trennung und ist auf der Suche nach dem anderen, dem abgetrennten, Teil.

Nun, vielleicht sind die heutigen Borderliner nur die Überbleibsel der platonschen Doppelmenschen. Sie scheinen der Strafe durch die Götter entgangen zu sein, denn ob wir wollen oder nicht, scheinen sie trotz ihres Spaltungsmechanismus , trotz ihrer Widersprüchlichkeit und Ambivalenz, trotz ihrer "Störung" oder vielleicht gerade deshalb den ursprünglichen "Doppelmenschen" nach Platon zu verkörpern.

Um es gleich vorweg zu nehmen hier ist nicht die multiple Persönlichkeit oder Schizophrenie gemeint. Warten wir ab, ob es stimmt.

Was Platon hier schildert, entspricht durchaus der Wirklichkeit und würde die Borderlinepersönlichkeit zum perfekten, idealen Liebenden, bzw. Partner machen. Sie erinnern sich bestimmt an "die nahtlose Andockung des Borderliners"? Aber wieder zurück.

Diese Philosophie geht also von dem grundsätzlichen Gespaltensein des Menschen in sich und der Suche nach dem anderen (abgetrennten) Teil als Spiegel für sich selbst aus. Hier ist nicht die narzisstische Spiegelung, bzw. der andere als Spiegel des Narzissten gemeint. Gemeint ist der Spiegel seiner eigenen Schatten, seines Verborgen, und dies erkennen zu können. Sie (die altgriechische Philosophie) sagt, Liebe ist Erkenntnis und im Umkehrschluß erkennt sich jeder nur durch die Liebe. Sie sagt aber auch, die Liebe sei ein Köder für die Erkenntnisfalle und weiterhin, die Liebe ist der Anreiz, die abgespaltenen Teile, die andere Hälfte in uns, die wir ohne diesen Anreiz nie anschauen würden, anzuschauen.

So ist die Liebe wiederum nicht nur Anreiz, sondern auch Erkenntnisinstrument.

Ein Organ, Erkenntnisorgan, wie das Auge und muß als solches beschaffen sein wie das zu Erkennende. Oder wie Goethe sagte: "das Auge als Organ erkennt das Licht, weil es selbst sonnenhaft ist". Das Auge, die Pupille = der Kern, die Iris = die Korona, ist so beschaffen, wie die Lichtquelle, die Sonne selbst. Jetzt wird es ganz schön kompliziert, oder?

Tja, das liebe Auge. Wir alle kennen ja die optische Täuschung und die ganzen Augenkrankheiten. Auch kenne Sie sicher die Weißheit "Liebe macht blind". Kein Wunder, wenn der klein Prinz sagt: "man sieht nur mit dem Herzen, das Wesentliche bleibt dem Auge verborgen".

Es geht also nach Platon im Grunde darum, daß man eine bestimmte Person ist und der Andere der verlorene, abgetrennte Teil des "Doppelmenschen" ist. Doch letztlich durch die Einheit, durch den Anderen, bzw. die Liebe in mir finde(n) (kann), da der abgetrennte Teil schon vorhanden ist, immer vorhanden war. Da bekommt die häufig zwischen zwei Liebenden getätigte Aussage "du fehlst mir" oder "ich kann ohne dich nicht leben", "wir passen (nicht) zusammen" eine wirklich realistische, und vor allem viel tiefsinnigere, Bedeutung. Sehr wahrscheinlich waren uns die alten Griechen viel weiter voraus, als wir bereit sind, in unserer materialistisch, egozentrisch ausgerichteten westlichen Einstellung, anzunehmen. In ihrer, der hellinistischen, Philosophie bestehen Eros und Agape nebeneinander im Verbund. Sie gehen sogar noch weiter, als das sie in Eros, Sohn des Chaos, nur das die welterzeugende Prinzip sehen, Eros in der Geschlechterliebe mit dem männlichen Prinzip und Agape mit dem weiblichen Prinzip (wie bereits beschrieben) besetzen, sondern definieren in der Geschlechterliebe sogar noch die Momente und nach Aristoteles, eine sehr wichtige Voraussetzung.

Sie bestimmen den Unterschied zwischen dem Moment der Begierde, den sie als Epithymia (im lateinischem Libido), bezeichnen und den Moment der Leidenschaft, den sie als Passio (sie oben passionata love) bezeichnen.

An dieser Stelle springen wir kurz zurück in den Narzissmus. Sie erinnern sich das ich sagte der Narzisst besetzt sein Objekt (also in dem Falle Sie) mit der Libido aus der oralen, analen Phase. Libido (Epithymia) enthält die Begierde, daß "haben wollen", wird dies versagt, denn in Begierde steckt ja Gier, greifen die aggressiven Teile der Libido und der Narzißt fällt in die analsadistische Phase, d.h. er versucht in sadistischer Form auf der analen Entwicklungsstufe seiner Gier (Begierde) Ausdruck zu verleihen, bzw. seine Begierde (Gier auf das mit Libido besetzte Objekt) zu befriedigen. Nun wieder zurück zu den alten Griechen.

Eine wichtige Voraussetzung der Liebe ist, nach Aristoteles, die Selbstliebe, als Philautia bezeichnet. Nicht zu verwechseln mit Philia, welches die gleichgeschlechtliche Liebe bezeichnet.

Auch ist mit Selbstliebe nicht der Egoismus oder die Selbstsucht, welche das Gegenteil bewirken, gemeint.

Jetzt werden so manche Leser sagen, daß ein gesunder Egoismus doch der Liebe nicht entgegensteht. Richtig, solange er gesund ist und bleibt. Doch da müssen wir uns gleichzeitig fragen, was gesunder Egoismus ist und was ihn von der Selbstsucht unterscheidet.

Egoismus bezeichnet, wie wir schon sahen, das Gegenteil des Altruismus.

Wir sprachen bereits darüber, daß für beide in der Liebe ein gesundes Mittelmaß gefunden werden muß. Wir sprachen aber auch davon, daß der reine bzw. absolute Altruismus per Definition in der Liebe eigentlich nicht möglich ist.

Das Gegenteil der Selbstlosigkeit ist die Selbstsucht. Sie ist ein überwertiger Egoismus. Die Selbstsucht stellt ein Verfallensein im Sinne der Sucht, in der Liebe die Sucht nach Trieb- und Bedürfnisbefriedigung, Ich-Befriedigung, dar. Die Selbstsucht besitzt immer Züge der Gier und Brutalität (Kommt Ihnen das bekannt vor? Richtig aus den Kapiteln " Borderline & Narzißmus"). Der gesunde Egoismus liegt also zwischen den Polen der Selbstlosigkeit und der Selbstsucht. Beide, der ungesunde Egoismus und die Selbstsucht machen wirkliche Liebe unmöglich.

An dieser Stelle muß ich ein Stück weiter ausholen, da ich weiter hinten das Wort "Egozentrik" verwende und es leicht zu Verwechslungen kommen kann. Egozentrisch heißt nicht egoistisch. Egoistisch bezieht sich auf das Handeln, welches das Ich (Ego) in den Mittelpunkt stellt. Egozentrisch dagegen die Bedeutung des Selbst. (Der Unterscheid ist im "Psychodynamische Modell" verdeutlicht.)

Dies wiederum heißt, daß Egoismus stets auch Egozentrik beinhaltet. Egozentrik allerdings muß nicht den Egoismus beinhalten. Im Gegenteil, es kann sogar mit Selbstlosigkeit einhergehen.

Finden Sie das jetzt verwirrend? Ich helfe ein wenig.

Betrachten Sie sich die Borderlinepersönlichkeit und fragen Sie sich, ob sie egoistisch oder egozentrisch ist. Notieren Sie sich die Antwort. Nun betrachten Sie sich eine narzisstische Persönlichkeit und fragen sich das Gleiche nochmals. Was haben sie festgestellt?

Sie müssten festgestellt haben, daß eine Borderlinepersönlichkeit egozentrisch und egoistisch nach innen, wie nach außen ist. Eine narzisstische Persönlichkeit dagegen konstant egoistisch nach innen und, in der Regel, egozentrisch nach außen ist, denn das ist eine der Masken des Narzissten. Eine Borderline-Persönlichkeit maskiert sich nicht bewußt denn sie glaubt, in dem Moment, was sie sagt.

Nächste Frage an Sie. Findet die Borderlinepersönlichkeit ein gesundes Mittelmaß zwischen Egoismus und Altruismus, kann sie es überhaupt finden? Antwort, nein!

Nun haben wir uns ein ganzes Stück von Platon entfernt. Lassen Sie uns eine Brücke zurück und gleichzeitig in die neue Zeit schlagen. Sie erinnern sich, wir sprachen vorhin vom Spiegel seiner Schatten, von Verborgenem, vom im anderen finden, vom Doppelmensch und Erkenntnis.

Was hat Platon hier gemeint? Von welcher Erkenntnis spricht er?

Platon spricht von Selbsterkenntnis. Selbsterkenntnis als Hinwendung des Erkennens, des Sehens, auf das eigene Ich.

Betrachten wir uns das Ganze aus der neuen Zeit mit Hilfe der analytischen Psychologie und befragen dazu Freuds Kronprinzen C. G. Jung, der genauso wie Freud, selbst zu den Pionieren der Psychoanalytik zählt. Jung verfeinerte den Begriff des Unbewussten.

Das er später eine Palastrevolte anzettelte, weil er nicht (mehr) mit einigen Freudschen Ansätzen übereinstimmte, soll uns hier nicht weiter stören, obwohl der Leser sicherlich bereits bemerkt hat das in diese Seiten die Jungschen Theorien genauso einfliesen wie die Freudschen, Adler, Kernberg, etc. Jeder Mensch trägt in sich weibliche, wie auch männliche Anteile, also gegengeschlechtliche Bilder. Genannt Anima und Animus.

Anima bezeichnet das weibliche gegengeschlechtliche Seelenbild im Mann und Animus das männliche gegengeschlechtliche Seelenbild in der Frau.

Im lateinischen bezeichnet Anima die Seele allgemein und im griechischen bezeichnet Psyche die Seele.

Anima, wie Animus, die jeweils gegengeschlechtlichen Seelenbilder setzen sich zusammen aus Erlebnissen, an gegengeschlechtlichen Personen, aus meist verdrängten gegengeschlechtlichen Eigenschaften und aus Erfahrungen, welche die gesamte Menschheit je mit dem anderen Geschlecht gemacht hat, also dem Archetyp von Anima und Animus.

Das Archetypische, zur Erinnerung, ist der nicht mehr reduzierbare Teil der, hier im Unbewußten, gelagerten Bildern (archaischen Bildern). Das Urbild der Struktur, nach der analytischen Psychologie "die Dominanten des kollektiven Unbewußten"

Die Archetypbilder enthalten nicht nur Bild, sondern zugleich Emotion.

Stellen Sie sich einfach vor das Archetypische verhält sich wie ein Kristallgitter und wird aus dem Effekt bestimmt. Das heißt, das Kristallgitter bestimmt welche Kristalle überhaupt möglich sind und die Umwelt entscheidet welche dieser Möglichkeiten verwirklicht werden können. Da Jung sich seit seiner Ablösung von Freud sehr im mysthischen Bereich bewegte und sich der eine oder andere nun fragt wie er Anima und Animus für sich einordnen kann, möchte ich wieder zu einem Analogismus aus der Tierwelt, dem Wolf, greifen.

Bevor Sie sich jetzt fragen was das denn nun mit Liebe und Hass zu tun hat, bitte ich Sie sich einen Moment zu gedulden. Es geht jetzt erst einmal um die Auswirkungen der archetypischen Bilder von Anima und Animus auf die Liebe bzw. den Menschen und seine Persönlichkeit.

Wer kennt von Ihnen nicht das Märchen vom "Rotkäppchen und dem bösen Wolf" oder das Märchen "von den sieben Geißlein"? Anzunehmen wohl jeder. Es geht also um den bösen Wolf. Es gibt viele Märchen von einem Wolf, doch in keinem ist der Wolf ein gutes Wesen. Bevor wir beginnen möchte ich Ihnen zwei Fragen Stellen.

Frage 1: Stellen sie sich bitte vor, Sie sind in einem verschneiten Wald und vor ihnen steht, in einiger Entfernung, ein Wolf. Die Leftzen nach oben gezogen, die Zähne zeigend. Sie haben keine Waffe. Was würden Sie tun? Wie sich fühlen?

Frage 2: Gleiche Situation, nur diesmal haben Sie ein Gewehr. Was würden sie tun? Was würden sie fühlen?

In der ersten Situation würden Sie sich wahrscheinlich in die Hose machen, denn ein Wolf sieht keineswegs aus wie ein Hund (zumindest nicht die Wölfe Nordamerikas). Starr vor Angst würden Sie glauben er will Sie töten, fressen denn als Kind hörten sie ja die Geschichten des bösen Wolfes. Nun, vielleicht würden Sie auch wie ein angestochenes Spanferkel, Hilfe schreiend, durch den Wald laufen und der Wolf lacht nur.

Im zweiten Fall würden sie sich groß, stark fühlen. Angst hätten Sie trotzdem, denn ansonsten würden Sie nicht anlegen und abdrücken. Sie hören, kurz nach Ihrem Fingerabzug, einen Schrei, dann ein Winseln, ein Winseln welches Ihnen so tief ins Herz geht, daß Sie alles dafür tun würden dieses Tier wieder zum Leben erwecken zu können, doch es ist zu spät. Nun schaltet Ihr Gewissen ein und das sagt " ein Wolf ist böse" das beruhigt und entspricht den Dingen die Sie gelernt haben.

Nun kommt die 3. Frage: Warum haben Sie geschossen?

Die Antwort ist weil Sie Angst hatten. Angst die Ihnen, auch wenn Sie nie die Geschichte vom "bösen Wolf" oder "Rotkäppchen und den sieben Geißlein" gehört hätten, implantiert wurde und zwar in Form der archaischen Bilder.

Später komme ich noch einmal auf diesen Angst zurück und werde Sie mit einer Annahme konfrontieren.

Nun zum archaischen Bild (an gegengeschlechtlichen Personen, aus meist verdrängten gegengeschlechtlichen Eigenschaften und aus Erfahrungen, welche die gesamte Menschheit je mit dem anderen Geschlecht gemacht hat, also dem Archetyp) von Animus und Anima in der Form des Analogismus.

Der eine oder andere von Ihnen wird wissen das der Wolf in seinem sozialem Miteinander eines der höchstentwickelten Rudeltiere (auch der Mensch ist ein Rudeltier-, so mancher Mensch könnte sich da eine Scheibe abschneiden) überhaupt ist, welches vorwiegend nachtaktiv ist. Bis vor nicht allzu langer Zeit allerdings, noch ca. vor 1700 Jahren war der Wolf ein rein tagaktives Tier. Mit Beginn und Ausbreitung der christlichen Religion, um genau zu sein der katholischen Kirche, in deren Namen und mit deren Unterstützung grausamste Verfolgungsfeldzüge, nicht nur gegen Menschen, geführt wurden, änderte sich für den Wolf alles. Dem Wolf wurde als Sinnbild für den Teufel (Luzifers rechte Hand, Mephisto, erscheint dem Menschen als Wolf), von höchster auf Erden existierenden "göttlicher" Stelle, dem Papst, die bezahlte, organisierte und völlige Vernichtung angesagt.

Es ist eine Ironie, daß diese Vernichtungsfeldzug sein Ursprung in einer Stadt Namens Rom hat, deren Sitz die katholische Kirche ist, und deren Gründer, Romulus mit seinem Bruder Remus, von einer Wölfin gestillt und aufgezogen wurden. Es grenzt an Perversion, das gleichzeitig, und das bis zum heutigen Tage, das Wahrzeichen Roms die stehende Wölfin mit Romulus und Remus unter ihren Zitzen ist.

Aber zurück zum, per Dekret abgezeichnetem, Vernichtungsfeldzug gegen den Wolf.

Bis zu diesem Zeitpunkt war der Wolf am Tag aktiv und hatte nur seine, wenn überhaupt, natürlichen Feinde. Wo immer er nun gesehen wurde, wurde er gejagt und abgeschlachtet. Die Annahme oder viel verbreitete Meinung man hätte ihn gejagt weil er des Bauern Ziegen und Schafe riß, ist eine von der Kirche selbst ins Leben gerufen Lüge.

Da der Mensch Nachts Angst hat, denn auch die Nacht stand mit dem Teufel im Bunde, wurde der Wolf Nachts nicht gejagt. Dem Wolf blieb nichts anderes übrig als sich über die laufe der Jahrhunderte anzupassen und Nachts auf die Jagd zu gehen. Er wurde also in der Nacht aktiv. Da die Nachtjagd eine unweigerliche Einschränkung seines Jagderfolges zur Folge hatte, mußte er wohl oder übel vermehrt auf des Bauers Schafe zurückgreifen.

Je weiter sich die Kirche ausgebreitete, desto mehr und schonungsloser wurde er ausgerottet.

Das Wissen darum, daß der Tag Gefahr bedeutet und er gejagt wird, wurde unter den Wölfen, innerhalb des Rudels, von Generation zu Generation weitergegeben bzw. vererbt, denn dies führte letztendlich dazu das sie nur noch Nachts unterwegs waren. Der Wechsel vom Tag zum Nachtaktiven Tier war vollzogen. Dieses Wissen ist der Archetypus des Wolfes gegenüber dem Menschen.

Es sind Die ererbten kollektiven Bilder welche im kollektiven Unterbewusstsein liegen. Bis ca. Mitte / Ende des 17. Jahrhundert wurde der Wolf in Europa fast vollständig ausgerottet.

Dort wohin der Arm der Kirche nicht reichte blieb er verschont. Dies waren einige wenige Stellen in den Karpaten und weit entfernte Gebiete, wie Sibirien. Doch bis zu diesen Gebieten blieben die kollektiven Bilder (Archetypus) im Unterbwusstsein der Wölfe unauslöschbar verankert.

So trägt auch jeder Mensch archtypische Bilder von Anima und Animus in sich. Diese Archetyp hat einen enormen Einfluss auf die Persönlichkeit und somit auf das menschliche Liebesverhalten.

Nun wird klar, was Platon meinte. Die Liebe versetzt uns in die Lage und gibt uns den Anreiz Anima und Animus in uns selbst zu erkennen.

Hier liegt eine weitere Erklärung, warum Sie glaub(t)en, so geliebt zu haben und es mit Sicherheit auch getan haben. Gerade die Borderlinepersönlichkeit ist in der Lage, durch ihre nahtlose Andockung als perfekte Leinwand, nicht nur im Sinne der Projektion, uns Anima oder Animus im gesamten Spektrum zu offenbaren. Weiterhin ist es ein Grund, warum Sie, als Sie die Borderlinepersönlichkeit kennenlernten, das Gefühl hatten, diese schon ewig gekannt zu haben, dieses unerklärliche Gefühl tiefer alter Vertrautheit und heute in der Trennung sich fühlen, als ob etwas im Innersten stirbt. In der Tat, der Spiegel in Ihrer versteckten, verdrängten Seelenanteile ist nicht mehr und so versinken diese wieder in den Tiefen der Seele.

Doch zurück zu den alten Griechen.

Denn weiter geht es ja in der Liebe um Heilung. Solange wir gespalten / getrennt sind, sind wir krank und nur durch die Ganzwerdung können wir Heilung empfangen.

Nun geht das hellenistisch- philosophische Weltbild ja von einer Polarität aus und behauptet, daß das Gegenteil von Liebe Hass ist.

Was eigentlich auch ganz logisch klingt. Nordpol- Südpol, Plus- Minus, Sonne- Regen, Tag- Nacht, Gesundheit- Krankheit, Freude- Kummer usw. Jeweils die absolut gegenseitigen Pole. Doch kein Mensch lebt in der absoluten Polarität. Betrachten wir uns die Erdkugel, so lebt der Mensch nicht auf dem Südpol oder Nordpol. Wir leben dazwischen und da ist es nicht nur heiß oder kalt, schwarz oder weiß, hell oder dunkel und es scheint nicht nur die Sonne, sondern es regnet auch.

Wenn wir aber nun die Liebe, der alten Griechen, mit "starkes Gefühl" und Hass mit "kein Gefühl" übersetzen würden, dann ist die altgriechische Logik bzw. Philosophie wieder richtig.

Sie sagt, daß das erste, was die Liebe nach gewisser Zeit hervorbringt, der Hass ist.

Warum? Weil er im platonischen Doppelmenschen vorhanden ist. Frage. Können wir lieben, ohne zu hassen? Im Umkehrschluß können wir hassen, ohne zu lieben? Wohl kaum. Wenn wir sagen: "ohne geliebt zu haben", dann sind wir wieder bei dem Getrenntsein von Platon oder bei "enttäuschter Liebe". So ist der Hass das Ausgleichsgewicht der Liebe? Doch wir wiederum sagen, wenn wir hassen, lieben wir nicht. Ist dem so?

Jetzt würde der Dualismus in einem Widerspruch kommen, denn er sagt ja, daß Hass das Gegenteil von Liebe ist. Nach Platon, daß der andere, der abgetrennte Teil von uns den Hass in sich birgt. Aber das er schon in uns ist, da wir nur durch die Liebe den abgetrennten Teil in uns, Anima und Animus, erkennen.

Also, indem ich liebe, hasse ich. Hass ist Teil des Menschsein. Wenn Hass enttäuschte Liebe ist, ist er immer eine Aufforderung: "Mach mich zu deinem Freund, bitte lehne mich nicht ab, verstoße mich nicht".

Ist Hass nun doch das Gegenteil von Liebe? Denn wenn Liebe Erkenntnis, dann ist Hass Verblendung. "Blind vor Wut und Hass".

Ganz schön kompliziert, die Philosophie der Liebe, zumal Liebe ja auch blind machen soll.

Versuchen wir kurz in der westlichen Religion die Antwort zu finden. So ist auch in dieser Religion die Liebe das Göttliche und das Göttliche die Erkenntnis. Hass wiederum ist des Teufels Blendwerk. Liebe ist eine Gottesgabe und Hass eine Teufelssünde. Denn der Teufel kann nicht lieben und der allmächtige, alles vergebende Gott nicht hassen. Und nun, haben wir die Antwort?

Sie sehen, in einer linearen Denk- und Betrachtungsweise können wir diese Frage nicht lösen. Es bleibt uns also nur die holistische Betrachtungsweise, wie in dem Rätsel: "was ist vorne, wenn es gleichzeitig hinten ist"?

Hass ist genau so viel oder genau so wenig das Gegenteil von Liebe, wie der Teufel das Gegenteil von Gott ist. Und einmal ganz spartanisch gefragt. Für was wird Gott benötigt, wenn es keinen Teufel gäbe?

Gefühle sind die Bewertung einer Situation. Die Liebe ist ein starkes, positives Gefühl. Das heißt, die Situation wird positiv bewertet. Liebe dringt somit nicht auf Veränderung der Situation. Auch Hass ist ein starkes Gefühl, nur mit einem negativen Vorzeichen. Das heißt, die Situation wird negativ bewertet. Hass dringt demnach auf Veränderung der Situation, des Zustandes und ist als Folge zielgerichtet, nicht übertragbar. Das Gegenteil von viel Gefühl ist kein Gefühl, also Gleichgültigkeit. Insofern ist das Gegenteil von Liebe nicht der Hass, weil er ein negatives Vorzeichen hat, sondern die Gleichgültigkeit. Das heißt aber auch, daß sie, die Gleichgültigkeit, das Gegenteil von Hass ist. Hass ist ein Bewertungsgrad, der Bewertungsgrad der Verletzung bzw. der Verletzungen.

Was macht aber nun den Hass so hässlich?

Nun, zum Ersten hat man uns beigebracht das der Hass etwas Böses ist, zum Zweiten hassen ja nicht wir, sondern der Andere (der wiedergefundene, abgetrennte Teil).

Wir schieben ihn somit der anderen Person zu, die wir "lieben". Und in Beziehungen hat er überhaupt nichts zu suchen, da er ja etwas Böses, weil "Gegenteil" von Liebe, ist.

Wir akzeptieren ihn nicht als Teil von uns, als Teil des Menschen. Und weil nicht sein kann, was nicht sein darf, sind wir ganz schnell mit der Schuldzuweisung: "Ich hasse dich" "Warum?" "weil du angefangen hast damit (mit deinem Hass)".

Nicht der Hass ist also hässlich, sondern seine Ausdrucksformen, deren es ja bekanntlich verschiedene gibt.

Wie nah allerdings Hass und Liebe beieinander liegen, sehen wir nicht nur am Beispiel einer Borderline-Beziehung, in der ja der Hass Grundlage die für neue Vereinigung und Symbiose ist.

Zwei Menschen trennen sich und in ihren Herzen tragen sie Hass. Sie treffen sich wieder und jeder der beiden hat das Ziel, seinen Hass über den anderen zu ergießen. Was passiert? Sie schauen sich in die Augen, der Puls rast, die Knie zittern und stellen fest: "verdammt, ich hasse dich, weil ich dich liebe". Kurze Zeit später finden sie sich in den Daunen des nächsten Hotelzimmers wieder. Warum passieren solche Dinge?

Zum Einen, weil Hass die Aufforderung zur Wiedervereinigung enthält, eine Zustandsänderung wünscht und weil Hass und Liebe ganz tief, in den letzten Winkeln der Seele auf einer Linie liegen, die geschlossen ist.

Sie erinnern sich an das Rätsel: "Was ist vorne, wenn es zugleich hinten ist?" Es ist der Kreis.

Wenn wir in der Liebe, im Eros, wie in der Agape (ausgenommen die christliche Liebe) das Maß der "Wiedervereinigung", der "Ganzwerdung" sehen, so können wir den Hass als Maß (Bewertung) des "Getrenntseins", vom wiedergefundenen Teil, dem anderen, verstehen. Jetzt verstehen wir auch, ich hatte es am Anfang des Kapitels erwähnt, daß wir nicht hassen können, ohne geliebt zu haben, b.z.w. geliebt worden sein. Auch verstehen wir jetzt, daß die Liebe sehr wohl, im Gegensatz zum Hass, übertragbar ist. Liebe steht in Wechselbeziehung, Hass dagegen nicht. Der Hass richtet sich immer wieder gegen die Person, welche die "Wiedervereinigung" aufhob oder sie zunichte macht.

Anders im pathologischen Hass, der an dieser Stelle nicht Thema ist, wie z.B. in der "narzisstischen Perversion", in der sich der Hass auch gegen Ersatzobjekte richten kann. Doch letztlich sind es dort nicht Ersatzobjekte des Hasses, sondern der "enttäuschten, versagten" Liebe. Durch die obige Ausführung können wir auch den Hass des Borderliners verstehen. Durch die Symbiose, die Verschmelzung mit Ideal, erfährt er eine Art Urzustand und genau dieser wird ihm immer wieder durch Sie genommen. Bedenken Sie, er ist ja emotional das kleine Kind, welches nur in der Symbiose überleben kann. Versuchen Sie sich bitte mal in die Situation hineinzuversetzen, an die Stelle der Borderlinepersönlichkeit.

Ihr Partner nimmt Ihnen die Symbiose, hebt die "Wiedervereinigung" auf. Es sei jetzt einmal egal, wie und ob es stimmt. Sie sehen es so. Das Sie es als Liebesentzug sehen, versteht sich von selbst. Nun ist es aber für Sie nicht nur einfach Liebesentzug, sondern der Entzug von etwas eszentiellen, wichtigen Lebensnotwendigen. Ergo empfinden Sie Hass. Diese Gefühl ist so stark, da es mit Todesangst besetzt ist, daß Sie zu sterben drohen. Und in der Tat, ein Teil ist ja weg, durch die Aufhebung der Symbiose. Gegen wen richtet sich Ihr Hass? Richtig, gegen den, der die Symbiose aufhob, den Partner. Gleichzeitig fliegt Ihnen gerade Ihr "ICH" um die Ohren, ansonsten hätten sie ja nicht das Gefühl zu sterben. Sie müssen es also schützen. Wie, wenn Ihnen nur primitive Abwehrmechanismen zur Verfügung stehen?

Natürlich, Sie haben nur zwei Möglichkeiten.

Zu spalten oder zu erdulden in Form des Masochismus. Nehmen wir an, Sie spalten, dann haben Sie zwar das "ICH" geschützt, aber noch nicht die Situation dahingehend verändert, daß Sie wieder zu einer erneuten Symbiose gelangen. Das hätten Sie über den Masochismus erreichen können. Nun haben Sie gespalten und damit erst einmal den Weg selbst verbaut. Solange also keine neue Symbiose stattfindet, müssen Sie die Spaltung aufrechterhalten. Da Hass kein Gefühl ist, welches kontinuierlich auf "high Level" gehalten werden kann, das geht schon rein biochemisch nicht, müssen Sie nachtriggern. Dabei hilft Ihnen Ihre Phantasie und die Projektion. Das Gefühl, der Hass, bleibt somit wellenartig. So, jetzt stehen Sie erst einmal ganz schön im Regen.

"ICH" geschützt über Spaltung, neue Symbiose (Überleben) nicht vorhanden oder in Aussicht und Hass in der Seele. Der Hass, den Sie verspüren, können Sie aber nicht voll ausleben, denn Ihr altes/ neues Symbioseobjekt darf nicht, noch nicht, ganz vernichtet werden. Ein Dilemma.

Was tun? Das kommt darauf an, ob jetzt ein Lanzelot vorbeigeritten kommt. Nehmen wir an, Lanzelot hat gerade Mittagspause, dann bleibt Ihnen nichts anderes übrig als die Spaltung, im Moment einer Talwelle des Hasses, wieder zu kippen. Sie wollen ja leben und nicht sterben. Wobei Sterben nicht einmal im Ansatz die Dimension Ihrer Gefühle ausdrückt. Es ist eher ein Auflösen, ein nicht mehr existent sein und doch das Wissen, weiterleben zu müssen. Und genau das haben Sie zu oft erlebt. Da es aber in der Spaltung nur "Gott" oder "Teufel" gibt, müssen Sie den Partner wieder zum Gott erklären. Anders kann die Weiche der Spaltung auch nicht umgelegt werden, denn der "Teufel" benötigt eine äquivalente Gegenbesetzungsenergie. Die Symbiose ist wieder hergestellt. Angenommen, Lanzelot kommt in diesem Moment vorbei, dann hat er Pech gehabt. Zweimal Symbiose geht nicht. Nehmen wir aber an, Lanzelot hatte vorhin keine Mittagspause und kam, wie kann es anders sein, in glänzender Rüstung, auf seinem Schimmel vorbeigeritten, dann dürfen Sie natürlich mit ihm die neue Symbiose, zumal er Sie ja vor dem "Teufel" rettet, eingehen. Ein weiterer Vorteil ist, daß Sie jetzt Ihren Hass, der ohnehin zielgerichtet ist, voll gegenüber Ihrem Ex- Partner ausleben dürfen und ist Lanzelot ein guter Narzisst, dann unterstützt er Sie auch dabei.

Bleiben wir noch kurz bei dem Hass, den Sie empfinden. Dieser ist ja nicht nur der Hass aus der jetzigen Versagung, sondern vermengt sich mit Ihrem Urhass. Das ist der Hass auf Ihre Mutter aus der damaligen Versagung und wird genährt durch Ihr fehlendes Urvertrauen. Wir hatten im Kapitel "Spaltung" festgestellt, daß die Energien durch die Spaltung auf jeder Seite vorkommen, da sie nicht abgebaut oder kompensiert werden, vorhanden bleiben. Insofern ist dieser Urhass im Moment der Spaltung vollends präsent. Zwischen beiden wird nur hin und her geschaltet. Rechter Speicher ist der Hass und der ist randvoll. Randvoll, weil jede Versagung, jede Aufhebung einer Symbiose, die Sie bis dato erlebt haben, dort hineinfließt, aber nicht abgebaut wird. Insofern ist zu verstehen, daß ein kleiner Schubs ausreicht, um das Ding überschwappen zu lassen. Er darf dann, sofern Lanzelot schon da ist oder zumindest am Horizont zu sehen ist, auf dem Ex- Partner entleert werden, was einer Katharsis (Reinigung) gleichkommt. Auf einige Ausdrucksformen des Hasses der Borderline-Persönlichkeit oder der narzisstischen Persönlichkeit, gehe ich näher in anderen Kapiteln ein.

Hass ist also kein Bedürfnis sondern über die Handlung Ausdruck eines Bedürfnisses, nämlich die Aufhebung eines Mangelzustandes, des Mangels an Liebe, bzw. die Aufhebung des (Mangel) Zustandes fehlender, enttäuschter, versagter Liebe.

Jeder Mangelzustand, egal welcher, verlangt nach Beseitigung, insofern nach Befriedigung. Hass ist somit nicht Motiv der Handlung sondern Folge und Ausdruck. Motiv der Handlung ist der Mangelzustand.

Clarinda, eine Borderlinepersönlichkeit, schreibt 11 Tage, nachdem ihr Partner ihr die Symbiose versagt, folgende Zeilen an jemanden, der zu diesem Zeitpunkt keine Mittagspause hatte, dem sie auch noch nie von Angesicht zu Angesicht gegenüberstand: "Du, mein Retter, mein Lanzelot, bei dir weiß ich, kann ich mich fallen lassen. Endlich bin ich angekommen, in meiner endlosen Suche. Mit dir will ich eins werden. Mit dir will ich verschmelzen. Nie wieder sterben, nie wieder Qualen. Ich freue mich so sehr."

Wenn sie jetzt glauben, diese Zeilen sind aus der Luft gegriffen oder anhand des vorangegangenen Textes entstanden, muß ich Sie enttäuschen. Umgekehrt, die Zeilen sind Tatsache, so real, wie Sie und ich.

Würde man diese Zeilen ohne die Borderlineproblematik betrachten oder ohne etwas darüber zu wissen, könnte man sagen: "Wow, wie romantisch, sie ist ja richtig verliebt, was hat sie wohl durchgemacht?" etc. Und welches Herz, welches Ego wäre da nicht geschmeichelt? Clarinda hat hier, ohne sich dessen bewußt zu sein, ohne es zu wissen, ihr gesamtes Krankheitsbild dargelegt. Alles ist vorhanden. Die Suche, der Retter, den Urzustand wollen, die Symbiose, die ständigen Qualen einer Borderlinepersönlichkeit, das innere Sterben bei Lösen der Symbiose, die Unfähigkeit zur Trauer, aber auch: "ich werde dich hassen, wenn ich sterbe".

Bleiben wir noch kurz beim Sterben (Hass) und spannen den Bogen zurück zu Platon, zu Eros, als die welterzeugendes Prinzip. Freud besetzte Eros mit dem Lebenstrieb und Thanatos (Hass, Tod) mit dem Todestrieb. Er ersetzte damit seinen ursprünglichen Dualismus von ICH- Trieben und ES-Trieben. Das soll uns aber jetzt nicht stören.

Wie die Worte es sagen, zielt Eros auf die Erhaltung und Thanatos auf die Vernichtung des Lebens ab. Thanatos tritt in Form der Aggression und Destruktion, als Hass, Trennung, Abstoßung, Vernichtung in Erscheinung und richtet sich in der Regel auf den Anderen. Er kann sich aber auch gegen die eigene Person, in Form des Selbsthasses, Selbstvernichtung richten.

An dieser Stelle sehen wir wieder die Qualität des Borderlinehasses, der sich sowohl gegen den Partner, z. Bsp. in seiner sublimsten Form- der Abwertung, richtet oder sich auch gegen ihn selbst, in Form der Selbstverletzung, richtet.

Zwischen den beiden, dem Lebenstrieb und Todestrieb, besteht eine Fusion (Verschmelzung). Einer der beiden besitzt aber immer die Dominanz. Das heißt, besitzt der Lebenstrieb die Dominanz, sind ihm aggressive Komponenten beigemischt und zwar einmal in Form von ICH- Trieben, also der Selbsterhaltung, der Kampf ums Dasein und einmal in Form des Objekttriebes, also Sexualtriebes, für die Eroberung und die Verteidigung des Liebesobjektes.

Dominiert allerdings der Todestrieb, überwiegen die aggressiven Komponenten des Lebenstriebes in Form von ICH- Trieben und zwar als Selbstvernichtungstendenz und Masochismus oder als Tendenz zur Vernichtung des mit Libido besetzten Objektes und als Sadismus.

In der ersten Form ist das ÜBER-ICH zu stark und gestattet nicht den freien Lauf der Aggressionen. In der zweiten Form ist die Frustration, durch Versagung, gegenüber dem mit Libido besetzten Objektes zu groß.

Auch hier sehen wir wieder die Qualität des Lebens- bzw. Todestriebes der Borderlinepersönlichkeit. Die Dominanz beider wechselt ohne für einen Außenstehenden, nicht einmal für die Borderlinepersönlichkeit selber, vorhersagbar. Und in der Dominanz des Todestriebes wechselt die Borderlinepersönlichkeit nochmals, unvorhersehbar.

Hier liegt ein weiterer Teil der Erklärung der Hass - Liebe des Borderliners. Die unabdingbare Verschränkung beider, des Lebenstriebes und des Todestriebes, der Liebe und des Hasses, die für ihn nur durch die Spaltung aufgehoben werden kann und nur als "entweder- oder" jeweils an den Grenzen des Kontinuum existiert.

Die narzisstische Persönlichkeit, versagt ihr das mit Libido besetzte Objekt die Liebe, d.h. die Spiegelung, fällt zurück in die anal- sadistische Stufe und somit auf die letzte Form des Todestriebes.

Einige Psychoanalytiker gehen nicht ganz mit dem Todestrieb von Freud, bezogen auf die Schlachtfelder, konform. Doch auch das soll uns nicht stören. Was haben Freud und Jung hier gemacht?

Einfach gesagt, nichts anderes als, auf die Liebe bezogen, das platonische (hellenistische) Bild psychoanalytisch übersetzt und verfeinert. Der Leser kann sich für das Eine oder Andere entscheiden, das Ergebnis bleibt das Selbige.

Das Fazit: "Nur wer sich selbst liebt, damit ist nicht Egozentrik, ungesunder Egoismus oder Selbstsucht gemeint, kann auch andere lieben." Die fernöstliche Religion des Buddhismus sagt dazu ganz einfach:

"Wird dir die Fähigkeit genommen oder nimmst du dir die Fähigkeit Liebe zu geben, dann kannst du auch keine Liebe empfangen".

Bliebe, bevor wir fast am Ende sind, noch einmal die Frage, können nun Borderlinepersönlichkeiten oder narzisstische Persönlichkeiten lieben?

Die Antwort ist eigentlich schon im ganzen Kapitel geliefert worden. Sie haben gesehen, sie läßt sich nicht so einfach beantworten. Sie haben gesehen, die Liebe ist nicht nur ein Gefühl, bzw. können wir die Liebe nicht einfach nur mit einem Gefühl oder mit einer Mixtur solcher gleichsetzen.

Fühlen können beide, das steht außer Zweifel. Gerade die Borderlinepersönlichkeit ist in der Lage, Gefühlsebenen zu erreichen, die einem "Nicht-Borderliner", ohne einer Droge, immer verschlossen bleiben, Gefühlsdimensionen zu erleben, die ein "Nicht-Borderliner" nicht verstehen würde, allein weil es dafür keine Beschreibung gibt.

Es ist schon sehr schwer, die Pseudoliebe von Eros zu unterscheiden. Noch dazu, weil die Borderlinepersönlichkeit in der Lage ist, in Momenten der Idealisierung, gewisse Formen des Altruismus als Selbstlosigkeit zu zeigen. Sie, die Borderlinepersönlichkeit, kracht mit den Elementen Epithymia (Libido) und Passio auf den anderen, auf das Ich des anderen, das jede Abwehr, jeder Abwehrversuch schon im Keime ersticken wird.

Stellen wir uns einfach die Frage, bezogen auf das obige Zitat. "Liebt sich eine Borderlinepersönlichkeit im Sinne der Selbstliebe, also mit gesundem Egoismus, ohne Egozentrik und ohne Selbstsucht?"

Die Antwort wissen Sie bereits und lautet NEIN.

Sie sehen aber auch, daß die Frage, ob ein Borderliner oder Narzisst lieben kann, falsch gestellt ist.

In ihrer psychischen Welt können beide sehr wohl lieben. Die Frage muß somit lauten: "Können Borderliner oder Narzissten in unserem Verständnis, in unserer psychischen Welt, lieben?"

Wenn wir einmal alles andere außen vor lassen und die neurotische Liebe und die Pseudoliebe als Liebe akzeptieren, müßten wir sagen- Ja. Sehen wir aber die Liebe, als das was sie wirklich ist, müssen wir sagen- Nein.

Springen wir zum Abschluß kurz zurück zu unserem psychodynamischen Modell.

Wir wissen bereits, daß das ES nach dem Lustprinzip, das ICH nach dem Realitätsprinzip und das ÜBER- ICH nach dem Moralitätsprinzip, welches unbedingte Erfüllung vom ICH fordert, arbeitet. Was natürlich den Wenigsten gelingt.

Bezogen auf Liebe und Hass, bedeutet das nun, dass in der Liebe, den Triebimpulsen des ES in Übereinstimmung mit dem ICH und dem ÜBER- ICH nachgegeben werden kann, wohingegen im Hass beide, ICH und ÜBER- ICH, im Normalfall, dagegen sprechen.

Warum sage ich das?

Weil die ICH-Erfüllung gegenüber dem ÜBER- ICH die Annäherung des Selbst an das Ideal-ICH / Ideal-SELBST bedeutet.

Das wiederum bedeutet eine Verkürzung der ICH-Diskrepanz im Sinne der Selbstverwirklichung, eine starke Integration des Selbst in das ICH. Je geringer die ICH- Diskrepanz, bzw. je stärker die SELBST-Integration, desto weniger ist ein Mensch in der Lage zu hassen.

Nachsatz:

In der Liebe fühlen wir uns unsterblich. Unsterblich durch ein Geschenk des anderen an uns.

In der Tat liegt in der Liebe die scheinbare Erfüllung des uralten, ewigen Wunsches und der damit verbundenen Suche nach Unsterblichkeit. Sie reicht zurück bis in eine Zeit in der die Menschen (noch) in friedvoller Einigkeit mit den Drachen lebten und diese den Menschen vor bösen Mächten beschützten. Der Überlieferung nach, durfte ein Drache, denn er war durch sein reines Herz unsterblich, nur einem in der Seele reinen und tot geweihtem Menschen die Hälfte seines Herzens geben und ihn dadurch, vor dem Tode rettend, unsterblich machen. Nur dann bekam der Drache seinen Platz im Himmel unter den anderen Sternen.

Geschah es denn das ein Drache bereit war dies für einen Menschen zu tun, öffnete er seinen Brustpanzer, zerteilte sein Herz in zwei Hälften und gab den abgetrennten Teil dem tot geweihten mit den Worten "Ich schenke dir mein Herz, durch mein Herz wirst du gerettet und durch meine Schwäche wirst du geleutert" Der dem Tod geweihte, jetzt unsterbliche Mensch öffnete die Augen und sah von nun an die Welt mit anderen Augen.

Sie fragen sich wo die Drachen denn heute sind?

Nun sie sind tot, vernichtet, ausgestorben. Durch wen und warum?

Durch den den die Drachen beschützten, den Menschen. In seiner Gier nach Macht täuschte der Mensch den Drachen und so kam es das ein Drache einem nicht in der Seele reinen Menschen die Hälfte seine Herzens gab.

Ab diesem Zeitpunkt ward es den Drachen verboten ihre Herzen zu teilen und so konnte kein Drache mehr seinen Platz unter den Sternen einnehmen. Doch wenn Sie, frei von Gier und Macht, des Nachts ganz genau in den Himmel schauen, werden Sie Sie die alten Drachen sehen die noch immer über die Menschen mit reinen Seelen wachen.

Ein Märchen? ein Analogismus? Die Wahrheit? Das zu entscheiden überlasse ich dem Leser.

Siehe auch