Alkoholismus

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Einführung

Über den Umfang von Alkoholismus, also Alkoholmissbrauch, Alkoholabhängigkeit und Alkoholbedingte Folgeschäden, gibt es unterschiedliche Zahlen und Statistiken. Unbestritten ist die Tatsache, dass Alkohol die Volksdroge Nummer eins ist. Arend schreibt in seinem Vorwort zu "Alkoholismus - ambulante Therapie und Rückfallprophylaxe":" In Deutschland hat die Abhängigkeit von legalen und illegalen Drogen mittlerweile epidemische Ausmaße angenommen und ist neben den Herz-Kreislauf- und Krebserkrankungen das drittgrößte Gesundheitsproblem". Die Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren (DHS) schätzte 1992 die Zahl behandlungsbedürftiger Alkoholabhängiger auf 2,5 Millionen. Dem stehen rund 800.000 Medikamentenabhängige und 1000.000 Abhängige von harten Drogen gegenüber (aus Arend,1993, S1) An den Folgen des Alkoholmissbrauchs sterben in der BRD jährlich rund 40.000 Menschen, bei den harten Drogen sind es rund 1600 jährlich. "Bei rund 20% der Verkehrsunfälle ist Alkohol im Spiel und zahlreiche Verkehrstote sind Opfer des Alkohols" (Fichter/Frick,1992,S.V).

Der Alkohol ist seit Menschengedenken in seinen positiven wie auch negativen Eigenschaften bekannt. Menschen die durch exzessives Trinkverhalten auffielen, wurden und werden bis heute als Säufer, charakterschwach, willenlos, ja sogar kriminell stigmatisiert. 1849 sprach Huss als erster vom Alkoholismus als Krankheit. Aber erst 1915 wurde in Deutschland die Trunksucht per Reichsversicherungsordnung als Krankheit anerkannt. Im Dritten Reich war Alkoholismus ein Grund zur Zwangssterilisation, Alkoholiker wurden interniert und eine unbestimmte Zahl getötet. Erst 1968 wurde in der BRD der Alkoholismus auf Grund eines Gerichtsurteils wieder als Krankheit anerkannt. Die Mehrzahl der deutschen Bevölkerung ist bis heute der Meinung, Alkoholiker sind für ihre Abhängigkeit selbst verantwortlich. Allerdings zeigt sich auch, dass eine Mehrheit in der Bevölkerung über das wachsende Ausmaß des Alkoholkonsums besorgt ist. Im krassen Gegensatz zur ständig steigenden Zahl behandlungsbedürftiger Alkoholiker steht die Entwicklung eines angemessenen Behandlungssystems, der Forschung und Ausbildung. Für die Forschung wird so gut wie kein Geld bereitgestellt, ein zentrales Suchtforschungsinstitut wird von Fachleuten gefordert, sein Realisierung ist aber ungewiss. Im Verhältnis zur Größe der Problematik, ist das Thema Sucht und Abhängigkeit sowohl in der Forschung als auch in der Ausbildung von geringer Relevanz. "In einer jüngst veröffentlichten Bestandsaufnahme kommt Reuband zu dem Schluss, dass Deutschland im europäischen Vergleich ein Entwicklungsland im Bereich der Drogenforschung ist, und John vermutet gar ein Desinteresse an Suchtforschung in Deutschland (Arend, 1993, S.9). Im Gegensatz dazu ist Prof. Dr. Hanns Hippius in einem Geleitwort zum Buch von Fichtner & Frick schon 1991 der Meinung, "Die Alkoholforschung befindet sich derzeit in einem kräftigen Aufschwung" (Fichtner/Frick, 1992, S.VI).


Definition des Alkoholismus

Das Diagnostisch-statistische Manual der American Psychiatric Association (DSM III) unterscheidet bei der Definition des Alkoholismus:

  • Alkoholmissbrauch
  • Alkoholabhängigkeit
  • Alkoholbedingte Folgeschäden

Nach einer Einführung zum Begriff Alkoholismus, sollen im folgenden die aufgeführten Begriffe erläutert werden. Hinzu kommt eine kurze Bemerkung zum Begriff Sucht.


Alkoholismus

1849 hat Huss den Begriff Alkoholismus eingeführt. Seitdem gibt es eine Vielzahl von Definitionen für diesen Begriff. Die WHO hat 1952 Alkoholiker als exessive Trinker definiert, "deren Abhängigkeit vom Alkohol einen solchen Grad erreicht hat, dass sie deutliche Störungen in ihrer körperlichen und geistigen Gesundheit, in ihren mitmenschlichen Beziehungen und in ihren sozialen und wirtschaftlichen Funktionen aufweisen oder Prodrome einer solchen Entwicklung zeigen und deshalb behandlungsbedürftigt sind" (Ernst, 1989, S.11). Im Gegensatz früherer Definitionen, umfasst diese nicht nur die körperlichen Folgeerscheinungen, die mit chronischem Alkoholkonsum verbunden sind. Jellinek grenzte chronischen Alkoholismus und Alkoholsucht voneinander ab. Unter chronischen Alkoholismus versteht er die körperlichen und psychischen Veränderungen durch erhöhten Alkoholkonsum, dass ständige und nicht zu beeinflussende Verlangen nach Alkohol als Sucht. Bei Jellinek hat ein Alkoholiker folgende Merkmale:

  • Entzugserscheinungen
  • Toleranz
  • Kontrollverlust
  • Unfähigkeit zur Abstinenz

Allerdings stellen viele die bislang als allgemein anerkannten Ansichten von Jellinek in Frage, andere sind der Meinung, sie seien bereits widerlegt. Auch besteht Unklarheit darüber, ob Alkoholismus eine Krankheit im klassischen Sinne , Ausdruck einer Krankheit oder ein Ergebnis einer sozialpsychologischen Auswirkung ist. "Einige Lerntheoretiker (z.B. Ullmann, Krasner) lehnen die Behauptung, dass Alkoholismus eine Krankheit sei, völlig ab und versuchen eine Erklärung ausschließlich in Begriffen der Lerntheorie" (Arnold u.a., S 56). Bei Arnold findet sich auch folgende Definition des Alkoholismus von Keller (1958): "Alkoholismus ist eine überdauernde Verhaltensstörung, die sich darin äußert, dass alkoholische Getränke im Exzess konsumiert werden, in einem Ausmaß, das den Gewohnheiten der Gesellschaft, der eigenen Gesundheit und den eigenen, sozialen und ökonomischen Aufgaben zuwiderläuft". Trotz vieler unterschiedlicher Standpunkte und Meinungen scheint es wichtig zu sein, mehr über die physiologischen, soziologischen und psychologischen Auswirkungen des Alkohols zu wissen.


Alkoholmissbrauch und Alkoholabhängigkeit

Im Internationalen Diagnoseschlüssel von 1980 (ICD 9) wird zwischen Alkoholmissbrauch und Alkoholabhängigkeit unterschieden. Beide Definitionen sind sehr weit, mit einem großen Ermessensspielraum für den Beurteilenden gefasst. "Alkoholmissbrauch ist nach ICD 9 definiert als ein "psychischer, manchmal auch körperlicher Zustand, der durch Alkoholgenuss entsteht und durch Verhaltensweisen und andere Reaktionen charakterisiert ist, die immer den Drang einschließen, ständig oder periodisch Alkohol zu sich zu nehmen, um dessen psychischen Effekt zu erleben, Manchmal soll damit auch das Missbehagen bei fehlendem Alkoholgenuss vermieden werden. Toleranz kann vorliegen oder nicht" (Fichtner, S. 1). Als Merkmale von Alkoholmissbrauch gelten im ICD 9:

  • Exzessiver Alkoholgenuss
  • Alkoholrausch und akute Alkoholintoxikationen
  • wobei keine Abhängigkeitserscheinungen auftreten

In der revidierten Fassung des DSM II (DSM III-R) müssen folgende Kriterien für die Diagnose Alkoholmißbrauch erfüllt sein:

  • Vorliegen von Merkmalen eines pathologischen Alkoholkonsums
  • Kontinuierlicher Alkoholkonsum trotz Gewahrseins (durch den Betroffenen) von alkoholbedingten sozialen oder/und beruflichen Leistungseinbußen
  • Dauer des Konsums bzw. der Beeinträchtigung von mindestens einem Monat.

Unter pathologischen Alkoholkonsum versteht C. Ernst (Ernst, S. 12) folgendes:

  • Bedürfnis nach täglichen Alkoholkonsum
  • Kontrollverlust
  • Versuche, durch zeitweilige Abstinenz oder "Trink-Stundenpläne" den Konsum zu reduzieren
  • Trinktouren (mindestens zwei Tage)
  • Black outs nach akuten Alkoholintoxikationen
  • Fortsetzung des Alkoholkonsums trotz eines dadurch verschlimmerten ernsthaften körperlichen Leidens
  • Konsum von denaturiertem Alkohol

Unter Alkoholabhängigkeit versteht C. Ernst das Vorliegen von Alkoholmißbrauch und zusätzlich entweder Toleranz oder Entzugserscheinungen. Toleranz bedeutet, um eine psychische oder körperliche Wirkung zu erreichen, muß immer mehr Alkohol getrunken werden. Unter Entzugserscheinungen leidet der Abhängige nach Absetzen oder Reduktion des Alkohols. "Sie bestehen in grobschlägigem Zittern, Übelkeit und Brechen, orthastischer Hypertonie und Schwächegefühl, in vegetativer Hyperaktivität und in Angst und Depression" (Ernst, S. 13)

W. Feuerlein nimmt Alkoholmissbrauch an, "wenn der Konsum von Alkohol zu Folgeschäden auf körperlichem und/oder psychosozialem Gebiet führt: z.B. zu Alkoholfolgekrankheiten und/oder alkoholbedingten, psychosozialen Schwierigkeiten" (Feuerlein, S. 15). Des weiteren warnt er, Alkoholmissbrauch auf Grund der Trennung der Begriffe Alkoholmissbrauch und Alkoholabhängigkeit zu unterschätzen. Feuerlein ist der Meinung, dass die weitaus größte Zahl der alkoholbedingten Schäden dem Alkoholmissbrauch im oben definiertem Sinne zuzuschreiben sind" (Feuerlein, S. 16).

Bei Fichtner und Frick findet man die Kriterien für die Diagnose "Alkoholabhängigkeit" nach DSM III-R, die hier wegen ihrer allgemeinen Anerkennung aufgeführt wird. Von den neun Kriterien müssen mindestens drei für die Diagnosenstellung erfüllt sein. Sie müssen entweder wiederholt über einen längeren Zeitraum oder mindestens vier Wochen vorhanden gewesen sein.

  1. Alkoholkonsum in größeren Mengen oder über längere Zeitdauer als die Person intendierte (beabsichtigte).
  2. Persistierender Drang oder ein oder mehrere erfolglose Versuche, den Alkoholkonsum zu reduzieren oder den Alkohol in kontrollierter Weise einzunehmen.
  3. Viel Aufwand an Zeit für Aktivitäten, die erforderlich sind, Alkoholtrinken zu ermöglichen, oder sich von den Folgen zu erholen.
  4. Häufige Intoxikationen oder Entzugssymptome, wenn wesentliche Leistungen in Arbeit, Schule oder zu Hause vom Betreffenden erwartet werden, oder wenn Trinken eine physische Gefahr darstellt.
  5. Wichtige soziale, berufliche oder Freizeitaktivitäten werden wegen Alkoholtrinkens aufgegeben oder reduziert.
  6. Fortwährendes Trinken trotz des Wissens, ein persistierendes oder wiederkehrendes soziales, psychologisches oder körperliches Problem zu haben, welches durch Trinken verursacht oder verstärkt wurde.
  7. Ausgeprägte Toleranzbildung gegenüber Alkohol: Bedarf an deutlich erhöhten Alkoholmengen, um Intoxikation oder gewünschte Wirkung zu erzielen oder deutlich verminderte Wirkung bei Konsum derselben Menge.
  8. Charakteristische Alkoholentzugssymptome.
  9. Häufiger Alkoholkonsum zur Linderung oder zum Vermeiden von Entzugssymptomen.

Allgemein hat sich die begriffliche Differenzierung bewährt. Da der Verlauf der Krankheit sehr unterschiedlich ist, können mit Hilfe der Definitionen auch beginnende Alkoholprobleme erkannt werden, die noch keine somatischen oder hirnorganischen Folgeschäden verursacht haben. Auch soziale Folgeschäden können noch sehr gering sein, bzw. noch bewusst verborgen sein. Allerdings weist auch


Sucht

C. Ernst eindringlich darauf hin, den Alkoholmissbrauch zu verkennen. Er bezieht sich dabei auf Jellinek, der den Konsum mit Gewohnheitscharakter (Beta-Alkoholismus) vom Alkoholismus mit Suchtcharakter abgrenzt. In diesen Fällen können somatische und hirnorganische Schäden auftreten, ohne das die Kriterien von Missbrauch und Abhängigkeit erfüllt worden sind. C. Ernst bezeichnet dies als "schleichenden Alkoholismus".

In der DDR hatte der Begriff Sucht eine politisch-ideologische Dimension. Er wurde fast ausschließlich im Zusammenhang mit harten Drogen genannt. Da in der DDR solche Drogen nicht in nennenswerten Mengen verfügbar waren, dienten Meldungen über Drogentote, Berichte über soziale Bedingungen in der Drogenszene, u.ä. Veröffentlichungen dazu, die moralische und soziale Überlegenheit des sozialistischen Systems darzustellen. Da Alkoholismus nicht als Krankheit anerkannt war, waren auch breiten Bevölkerungskreisen davon überzeugt, daß es die Sucht nach Alkohol nicht gibt. Die Stellung der Alkoholiker in der sozialistischen Gesellschaft war dementsprechend. Wer nicht in die Normen dieser Gesellschaft paßte wurde von ihr nicht akzeptiert. In nicht ganz so extrem ausgeprägten Maß erlebt der Alkoholiker die Diskriminierung auch heute noch.

Von der Weltgesundheitsorganisation (WHO)wurde der Begriff Sucht schon im Jahre 1964 durch den oben beschriebenen Begriff Abhängigkeit ersetzt. Im Zusammenhang mit nichtstoffgebundenen Süchten erlebt er allerdings in der Gegenwart einen regelrechten Boom. Arend führt folgende Definition von Warnke (1987) an: "Sucht ist ein unabweisbares Verlangen nach einem bestimmten Erlebniszustand. Diesem Verlangen werden Kräfte des Verstandes untergeordnet. Es beeinträchtigt die freie Entfaltung einer Persönlichkeit und zerstört die sozialen Bindungen und sozialen Chancen des Individuums (Arend, S. 13). Sucht wird als psychisches Problem mit sozialen und körperlichen Konsequenzen gesehen.


Alkoholbedingte Folgeschäden

Die alkoholbedingten Folgeschäden umfassen körperliche, psychische und soziale Schäden, welche durch Alkoholkonsum verursacht oder mitverursacht wurden. Die Alkoholabhängigkeit ist danach eine Sonderform eines Folgeschadens. Aber auch im Rahmen einer gelegentlichen Intoxikation treten Folgeschäden auf (Verkehrsunfälle, Gewalttätigkeit).


Psychische Folgeschäden

1. Die akute Alkoholintoxikation (Alkoholrausch)

Der Rausch ist eine akute exogene Psychose. Bei einem Blutalkoholspiegel (BAS) von 3 Promile tritt er mit Sicherheit ein, ab 4 Promile besteht Lebensgefahr. Allerdings hängt die Reaktion auch vom körperlichen und psychischen Befinden ab. Feurlein und C. Ernst definieren die Stadien der Alkoholräusche unterschiedlich. Während Feuerlein eine dreistufigen Skala bevorzugt, unterteilt Ernst in vier verschiedene Stadien, wobei er den Atypischen Rausch miteinbezieht.

a) Leichter Rausch: BAS 1,5 - 2,5 Promile; Benommenheit, psychomotorische Unsicherheit, besonders Gehstörungen, Ablenkbarkeit, euphorische Glücksstimmung oder aggressive Gereiztheit, verminderte Selbstkritik, Enthemmung, später Müdigkeit
b) Schwerer Rausch: BAS über 2,5 Promile; Desorientierung, Angst und Erregung, Doppelsehen, Schwindel, Erbrechen, Schädel-Hirn-Trauma
c) Alkoholisches Trauma: über 3,5 Promile; Gerötetes Gesicht, Fehlen von Sehnen- und Patellareflex, Fehlen der Pupillenreflexe bedeutet beginnende Atemstörung, eventuell Tod durch Atemlähmung
d) Atypischer Rausch: oft schon nach geringem Alkoholkonsum, Desorientiertheit verbunden mit Halluzinationen und Wahnideen oder schwerer Depression, es besteht manchmal akute Suizidgefahr.

2. Das Alkoholentzugssyndrom

Tritt bei Unterbrechung oder großer Verminderung des Alkoholkonsums auf. Eine leichte Form ist der sogenannte Kater. In schweren Fällen betrifft es mehrere Organsysteme und ist durch eine Vielzahl von Symptomen charakterisiert. Brechreiz und Durchfälle, Schlafstörungen und Pulsbeschleunigungen, Zittern, Gleichgewichtsstörungen und epileptische Anfälle, Angst, Depressionen und Halluzinationen.

3. Die einfache alkoholische Demenz

Die einfache alkoholische Demenz ist eine Hirnleistungsschwäche bei der das Gedächtnis nicht auffällig betroffen ist. Kritikunfähigkeit, Konfubulationen und Desorientiertheit sind Merkmale. Demente Alkoholiker gleichen Altershirnkranken. Bei konsequentem Alkoholverzicht ist die einfache alkoholische Demenz reversibel.

4. Das Korsakow-Syndrom

Die Krankheit betrifft 3-5 % der behandelten schweren Alkoholiker. "Im ungünstigsten Fall folgt ein schwerer, bleibender Gedächtnisdefekt, welcher die Korsakow-Psychose kennzeichnet. Bei dieser geht das Frischgedächtnis zum größten Teil verloren und die Merkfähigkeit fällt völlig aus (Ernst, S.73). Bei rechtzeitiger Diagnose kann es einen guten Behandlungserfolg geben (10-20% völlige Heilung)

5. Das Alkoholdelir

Das Alkoholdelir wird als schwerste Stufe eines Entzugssyndroms eingeschätzt. Die Symptome des Delirs sind:

  • Desorientiertheit (örtlich, zeitlich, situativ)
  • Optische Halluzinationen (bewegte Gegenstände, Spinnen...)
  • Akustische Halluzinationen (Musik, Geräusche...)
  • Patient sieht oder hört, was man ihm suggeriert
  • Angst, Reizbarkeit aber auch Galgenhumor
  • Psychomotorische Unruhe, ständige Bewegung
  • Grobes Zittern
  • Schwitzen, Schlaflosigkeit
  • Eventuell Fieber


6. Die alkoholbedingte Persönlichkeitsveränderung

Übermäßiger Alkoholkonsum erzeugt Angst und Depression und ist für schwere Konflikte, soziales Versagen und Kurzschlusshandlungen mitverantwortlich. C. Ernst gibt folgende Eigenschaften einer durch Alkoholismus veränderten Persönlichkeit an:

  • Willensschwäche
  • Gefühlslabilität
  • Schwanken zwischen Sentimentalität und Brutalität
  • Reizbarkeit
  • Ethische Entdifferenzierung
  • Minderwertigskeitsgefühle
  • Renomiersucht
  • Dissimulation


Körperliche Folgeschäden

1. Leberschäden

Leberschäden sind die bekannteste körperlichen Erkrankungen. Ihre Häufigkeit und Schwere ist abhängig von der Dauer des Alkoholmissbrauchs und der konsumierten Alkoholmenge. In abstinenten Zeiten kann sich die Leber regenerieren. Es werden drei Stufen der Lebererkrankungen unterschieden:

  • Fettleber: sie kann schon nach relativ geringen Alkoholmengen entstehen, die Leber ist leicht vergrößert, äußert sich in Oberbauchschmerzen, ist bei Abstinenz vollständig reversibel
  • Alkoholhepatitis: ist eine Form der Leberentzündung mit deutlich pathologischeren Laborbefunden als bei der Fettleber, nur vollständige Abstinenz verhindert einen schweren Verlauf oder Weiterentwicklung zur Zirrhose
  • Die alkoholische Leberzirrhose: Sie entsteht in der Mehrzahl aus einer chronischen Hepatitis, die Leber ist vergrößert, es finden sich aber auch Anzeichen einer Zellverfettung, die alkoholische Leberzirrhose ist irreversibel und führt zu Leberinsuffizenz und zum coma hepaticum, durch Abstinenz verlängert sich die Überlebensdauer deutlich

2. Pankreaserkrankungen

Seltene Krankheit bei Alkoholikern, aber Alkoholismus ist die häufigste Ursache für chronische Pankreatitis. Der Zusammenhang von Alkoholkonsum, Erkrankung und anderen Bedingungen ist weitgehend ungeklärt. Jahrelange Funktionsstörungen finden sich bei vielen Alkoholiker, es kommt aber nur selten zu einer chronischen Erkrankung. Bei Abstinenz besteht eine günstige Prognose.

3. Erkrankungen der oberen Verdauungswege

Durch chronischen Alkoholkonsum kann die Schleimhaut in der Mundhöhle, der Speiseröhre und dem Magen indirekt geschädigt werden. Direkte Schäden hat meist der Konsum hochprozentigen Alkohols zur Folge. Des weiteren führt chronischer Alkoholkonsum zu einer Reduktion der Speichelsekretion und zu Entzündungen der Schleimhaut von Zunge, Mund- und Rachenraum sowie der Speiseröhre. In Verbindung mit Tabakabusus auch Ursache für Krebserkrankungen in diesem Bereich.

4. Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems

Alkoholfolgeschäden des Herzens sind Herzrythmusstörungen, Bluthochdruck und Alkohol-Kardiomyopathie. Letzteres ist eine Herzmuskelerkrankung die zur Erweiterung des Herzens führt. Die Folge ist eine ungenügende Herzleistung und eine höhere Herzfrequenz. Die Krankheit ist sehr selten, hat aber eine schlechte Prognose. Feuerlein zeigt aber auch, das geringe Mengen Alkohol täglich das Herzinfarkt-Risiko reduzieren.


Soziale Folgeschäden

1. Soziales Umfeld

Die ersten Folgeerscheinungen von Alkoholmissbrauch und-abhängigkeit werden im sozialen Bereich sichtbar. Sie betreffen den Konsumenten und sein soziales Umfeld. Im sozialen Umfeld ist als erstes die Familie betroffen. Anfangs nimmt die Familie die Zeichen des beginnenden Alkoholismus nicht wahr, später werden sie heruntergespielt (so schlimm wird es schon nicht sein). Der nörgelnden Kritik folgt aber dass das Fehlverhalten nach außen gedeckt wird. Die Familie werden zu Co-Abhängigen und verstärken den Alkoholismus des Betroffenen noch unbewusst. Schreitet die kritische Phase fort, kommt es meist zur Abwendung der Familie. Die Desintegration der Primärgruppe nimmt ständig zu, es finden Rollenwechsel statt. Der Abhängige ist nicht mehr in der Lage seine Rolle in der Familie auszufüllen.

Es kommt häufig zu Gewalttätigkeiten, wobei Frauen und Kinder besonders gefährdet sind. Die Folgen sind entweder die Scheidung oder eine Art Zweck ehe auf dem Niveau alltagsnotwendiger Abläufe. Feuerlein weist aber auch darauf hin, daß die Ehescheidung sowohl Ursache für den Alkoholismus, als auch Ergebnis des Alkoholismus sein kann. Bemerkenswert ist auch, daß die Zahl unverheirateter Alkoholiker mit rund 25% der stationer behandelten unvermutet hoch ist. Die sozialen Auswirkungen auf Kinder werden negativ beurteilt. Entsprechende Untersuchungen mit Kontrollgruppen zeigten, daß es im Kleinkindalter mehr Erziehungsprobleme gibt, später mehr körperliche Beschwerden wie Kopfschmerzen, Schlafstörungen und Bettnässen auftreten. Dazu kommen schlechte Leistungen im kognitiven Bereich. Ursache für diese Defizite ist aber nicht der Alkoholismus der Eltern, sondern das dadurch gestörte psychosoziale Klima in der Familie.

2. Beruf und wirtschaftliche Situation

Bei chronischem Alkoholmissbrauch wird die Arbeitsleistung beeinträchtigt, im Verhalten gegenüber den Vorgesetzten und Mitarbeitern kommt es zu erheblichen Spannungen. Es kommt zu einer Verlangsamung des Arbeitstempos, Qualitätsmängel, Fehltagen und häufigen Krankschreibungen. Typisch ist auch häufiger Arbeitsplatzwechsel und der völlige Verlust der Arbeit. Aber auch hier sei angemerkt, das die Arbeitslosigkeit sowohl Ergebnis als auch Ursache des Alkoholismus sein kann.

3. Kriminalität

Bei strafbaren Handlungen unter akuter Alkoholeinwirkung "handelt es sich um provozierte Erregungs- und Enthemmungsdelikte wie Körperverletzungen, Sachbeschädigungen, Sexualdelikte und Beleidigungen"(Feuerlein, S. 69). Straftaten deren Ursache auch in den oben beschriebenen Persönlichkeitsveränderungen zu suchen sind, sind vor allem Unterschlagungen, Diebstähle, Körperverletzungen, Zechprellerei, Sexualdelikte und Unfallflucht.

4. Suizidhandlungen

Nach Feuerlein sind etwa 25% aller Suizidtoten Alkoholiker. Alkoholismus ist ein Wegbereiter der Suizidität. "Die alkoholbedingte Euphorie schlägt nach ihrem Abklingen oft in eine (durch die pharmakologische Eigenwirkung des Alkohols bedingte) Depression (Alkoholmelancholie) um. In diesem Zustand werden oft Suizidhandlungen begangen". (Feuerlein, S. 68)

5. Volkswirtschaftliche Kosten

Die Kosten die Alkoholkonsum und Alkoholismus verursachen, können nur geschätzt werden. Sie sind aber um ein vielfaches höher anzusehen, als der Staat Einnahmen an direkten und indirekten Steuern durch Produktion und Verkauf von alkoholischen Gütern hat. Getragen werden diese Kosten vom Staat, den Versicherungen und den Alkoholkonsumenten. Bei Feuerlein findet sich eine Kostenberechnung, "die ein mit 45 Jahren vorzeitig pensionierter Suchtkranker der Gesellschaft verursacht: bei durchschnittlicher Rentenleistung und bei Annahme einer verkürzten Lebenserwartung waren dies damals (1974) etwa 400 000 DM" (Feuerlein, S. 70). Demgegenüber lagen die Kosten für eine ambulante Behandlung 1989 bei 1500 bis 7500 DM und für eine sechsmonatige Therapie liegen die Kosten heute bei etwa 40 000 DM.

Bei C. Ernst findet man eine Berechnung für die Schweiz aus dem Jahre 1972. Danach betrugen die Kosten 1,346 Milliarden Schweizer Franken, eine Hochrechnung für das Jahr 1975 ergab 1,5 Milliarden. Schätzungen in den USA beziffern die Kosten, die alkoholkranke Mitarbeiter im Betrieb verursachen auf 25% des Arbeitslohnes.


Diagnose der Alkoholabhängigkeit

Trotz der Bemühungen eine Definition des Alkoholismus zu erstellen, ist die Diagnose sehr schwierig. Nur in Extremfällen gibt es eine sichere Diagnose. In frühen Stadien des Alkoholismus ist die Gefahr einer falsch positiven bzw. falsch negativen Aussage recht hoch. Stütz sich der Urteilende dabei nur auf Beobachtungen, erhöht sich das Risiko, daß Alkoholismus nicht erkannt wird oder es werden fälschlicher Weise bestimmte Verhaltensweisen als Alkoholismus gedeutet. "Es ist erstaunlich, wie lange der Alkoholismus von der Umgebung oft nicht wahrgenommen wird" (Feuerlein, S. 72). Allerdings wird er von der Umgebung oft genauso verdrängt, verharmlost und auch verleugnet, wie vom Betroffenen selbst. Um objektive Ergebnisse zu erhalten, ist man also auf zusätzliche Informationen angewiesen. Feuerlein führt dazu folgende drei diagnostische Wege an (Feuerlein, S.73):

Abschätzung des abnormen Trinkverhaltens durch Quantifizierung von Trinkmengen und Trinkfrequenz.

Abschätzung der Alkoholabhängigkeit.

Die unten beschriebenen Diagnostischen Verfahren versuchen entweder einen oder mehrere dieser Weg zu gehen. Ziel ist eine sichere Globaldiagnose, die auch Fragen der Motivation und der Indikation zur Behandlung zuläßt. Letztendlich ist auch eine Prognose erwünscht, allerdings ist dies wohl der subjektivste Bereich der Diagnose


Labordiagnostik

Für die Allgemeinmedizin ist die Diagnostik das einfachste Verfahren, um an objektive Werte des Patienten zu kommen. Allerdings erweisen sie sich als hoch sensitiv mit geringer Spezifität. Dadurch kann es zu vielen Fehldiagnosen führen. "Insbesondere hat sich das Gamma GT als sehr sensitiv erwiesen" (Arend, S. 15), wird aber häufig in der Praxis als ein sehr wichtiger Indikator aufgeführt. Der Nutzen der Labordiagnostik liegt im wesentlichen darin, einen Verdachtmoment auf Alkoholismus zu erhalten. Ihre Beweiskraft ist auch deshalb eingeschränkt, weil gerade bei jungen Patienten Organschäden noch nicht ausgeprägt sind.


Fragebogendiagnostik

Die Fragebogendiagnostik ist weit verbreitet. Grundsätzlich gibt es zwei Strategien. Die Items bei der indirekten Methode haben keinen scheinbaren Zusammenhang mit dem Trinkverhalten. Hier wird aus Persönlichkeitsfragebögen versucht, eine Alkoholismusskala zu entwickeln. Der bekannteste Versuch in dieser Richtung ist die Skala von Mc Andrew. Arend ist allerdings der Meinung, diese Methode sei nicht brauchbar. Er bezieht sich dabei auf eine Untersuchung von Küfer&Feuerlein.

In der direkten Methode beziehen sich die Items auf alkoholbezogende, psychosoziale Schäden und auf das Trinkverhalten. Als Beispiel soll hier ein sehr kurzer Fragebogen aufgeführt werden (Feuerlein, S 75)

CAGE-Test:

Haben Sie (erfolglos) versucht, Ihren Alkoholkonsum einzuschränken?

Haben Sie wegen Ihres Alkoholkonsums Schuldgefühle?

Brauchen Sie schon morgens Alkohol, um "richtig auf Trab zu kommen"?

Andere Fragebögen versuchen direkt Trinkmenge und Trinkfrequenz zu erfragen. In dieser Situation ist man aber besonders auf den Wahrheitsgehalt der Antworten angewiesen. Ein umfassender Fragebogen ist der Münchener Alkoholismustest (MALT). Er bezieht sich auf somatische, psychische und soziale Schäden und auf das Trinkverhalten. Er kann sowohl zur Diagnose von Alkoholabhängigkeit als auch zur Absicherung einer Verdachtsdiagnose dienen.


Typologien und Taxonomien

In der Alkoholismusforschung, der Diagnose und im klinischen Alltag unterscheidet man grundsätzlich in zwei diskrete Klassen, den Alkoholiker und den Nicht Alkoholiker. Dabei wird von der Uniformitätshypothese ausgegangen, die besagt, daß Alkoholismus ein einheitliches Phänomen sei. Man hat aber schon sehr früh erkannt, daß es den Einheitsalkoholiker nicht gibt und begann mit der Aufstellung von Typologien. Die bekannteste und auch heute noch am weitesten verbreitetste ist die von Jellinek 1961 veröffentlichte. Sie beruht auf eine Befragung von 2000 Anonymen Alkoholikern in den USA. (Aus Feuerlein, S.76):

  • Alpha-Trinker Trinken aus psychologischen Gründe (Konflikttrinker)
  • Beta-Trinker Trinken aus sozialen Gründen (Gelegenheitstrinker)
  • Gamma-Trinker Trinken aus innerem Zwang (Süchtiger Trinker)
  • Delta-Trinker Regelmäßiges Trinken relativ großer Mengen, meist ohne Berauschung (Gewohnheits-, Spiegeltrinker)
  • Epsilon-Trinker Tagelanges exzessives trinken, gefolgt von längeren alkoholfreien Pausen (Phasentrinker/Quartalstrinker)

Aus jüngerer Zeit seien hier noch die Typologie nach Cloninger (1987) und die Typologie nach Lesch (1985) erwähnt. Während Cloninger von der genetischen Disposition des Alkoholismus ausgeht und entsprechend zwei Typen aufstellt setzt Lech den Verlauf des Alkoholismus mit seiner Vorgeschichte in Beziehung.


Verhaltensdiagnostik

Die oben aufgeführten diagnostischen Mittel dienen ausschließlich dem Feststellen des Alkoholismus, sie bieten keine Handlungsmöglichkeiten für eine Therapie. Die Verhaltensdiagnostik versucht unter bestimmten Bedingungen das menschliche Verhalten zumessen (verstehen) und zu analysieren. Dabei wird das Verhalten in Abhängigkeit zur Umwelt gesehen. Kanfer hat dem klassischen

S -O -R - K - C - Modell drei Dimensionen hinzugefügt.

a-Ebene von außen kommenden Einflüsse und situative Bedingungen

b-Ebene selbsterzeugte Stimuli, Kognitionen, interne psych. Prozesse

c-Ebene biologisch-somatische Variable

Das Modell geht davon aus, dass menschliches Verhalten nur durch ein Zusammenspiel biologischer, psychischer und sozialer Faktoren zu erklären ist. Aus Platzgründen soll hier nicht weiter darauf eingegangen werden. Arend hat das Modell in seinem Buch auf den Seiten 19 ff beschrieben.


Fragebogen und Meinung der Anonymen Alkoholiker

Die Anonymen Alkoholiker sind die weltweit größte Selbsthilfeorganisation im Bereich des Alkoholismus. In den über sechzig Jahren ihres Bestehens, haben sie eigene Vorstellungen vom Bild des Alkoholismus entwickelt. Geprägt wurde es fast ausschließlich von ihren Erfahrungen aus trockenen und nassen Zeiten. Sie halten bewusst Abstand von wissenschaftlichen Definitionen und Konzepten. Ihr Anteil an den Arbeiten von Jellinek ist unbestritten. Die AA haben sich mit den 12 Schritten und 12 Traditionen ihr eigenes Programm geschaffen. Es trägt durchaus therapeutischen Charakter, auch wenn die AA es nicht gern hören. Für die AA ist Alkoholismus eine Krankheit. Nicht selten hört man von AA, Alkoholismus ist eine dreidimensionale Krankheit, der Alkoholiker ist körperlich, geistig und seelig krank. Die Ursachen selbst interessieren die AA nicht. "Es ist Tatsache, dass die meisten Alkoholiker aus unbekannten Gründen die Kraft verloren haben, zu wählen, ob sie weitertrinken oder nicht. Unsere sogenannte Willenskraft existiert praktisch nicht mehr (Blaues Buch, S. 29). Wichtig für die AA "ist die Beschränkung auf das Hier und Jetzt und die Übernahme der Verantwortung jedes einzelnen für die Gestaltung seines Lebens" (Bock&Weigang, S. 230).

Zum Erkennen von Alkoholismus und dessen aktuellem Stadium haben die AA einen Fragebogen herausgegeben, der von Jellinek entwickelt und von der WHO empfohlen wurde (Anhang 1). Er dient der Selbstdiagnose, es ist also jedem selbst überlassen, ob er ihn ausfüllt und wie ehrlich er ihn ausfüllt. Im Gegensatz zu den oben aufgeführten Definitionen, ist der Fragebogen sehr streng gehalten. Bei nur fünf von dreißig Fragen darf mit ja geantwortet werden, ansonsten ist nach Meinung der AA ein Alkoholerkrankung möglich.


Zusammenfassung

Für mich als Betroffener war die Auseinandersetzung mit der Definition und der Diagnose des Alkoholismus eine Herausforderung. Der Umfang der Arbeit belegt, dass es auf diesem Gebiet weit mehr Meinungen und Ansichten gibt, als es mir bewusst war. Allerdings gibt die Arbeit auch Anlaß zur Besorgnis. Offensichtlich geht in wissenschaftlichen Kreisen die Meinung über den Alkoholismus weit auseinander. Leider hat das qualitativ keine gravierenden Folgen. Es gibt keine erfolgversprechenden Konzepte der Prävention und der Therapie.

Trotz sinkenden Alkoholkonsum in Deutschland, steigen die Zahlen behandlungsbedürftiger Alkoholabhängiger immer noch deutlich. Auch scheint mir einigen nicht bewusst zu sein, welche juristischen, krankenkassenrechtlichen und therapeutischen Folgen ein Abweichen vom Krankheitsmodell haben kann und wird. Dabei ist die Situation bei der Finanzierung und deren Folgen von Behandlungen sehr problematisch. Auf Empfehlung des Bundessozialgerichts haben Krankenkassen- und Rentenkassenträger einen Kompromiss zu Ungunsten ihrer Patienten ausgehandelt. "Aus verwaltungstechnischen Gründen teilen sie Suchtbehandlungen in eine somatisch orientierte Entgiftungsbehandlung und eine überwiegend psychosoziale Aspekte berücksichtigende Entwöhnungsbehandlung. Damit wird schon bei der Entgiftung die psychologische Betreuung in einem sehr wichtigen Stadium versäumt. Den gerade in dieser sehr instabilen Lage ist der Patient besonders ansprechbar. Wenn die schlimmsten Entzugserscheinungen vorbei sind, ist die Chance vertan. Auch die Situation der Nachsorge ist äußerst fragwürdig. Den Großteil trägt die Selbsthilfe. Andere Angebote sind Mangelware. "Nur ein Bruchteil des Betrages der Steuereinnahmen aus den Suchtmittelverkauf wird für die Suchtkrankenhilfe aufgewandt" (Bock, Weigang, S. 368), wobei den am schlimmsten betroffenen Personen die wenigste Hilfe zukommt. Gerade in diesem Bereich ist dann die Sozialarbeit gefragt.


Anhang

Fragebogen der Anonymen Alkoholiker. Sind Sie Alkoholiker?

Vorstadium

1. Leiden Sie an Gedächtnislücken nach starkem Trinken?
2. Trinken Sie heimlich?
3. Denken Sie häufig an Alkohol?
4. Trinken sie das erste Glas hastig?
5. Haben Sie wegen Ihres Trinkens Schuldgefühle?
6. Vermeiden Sie in Gesprächen Anspielungen auf Alkohol?

Kritische Phase

7. Haben sie nach den ersten Gläsern ein unwiderstehliches Verlangen, weiterzutrinken?
8. Gebrauchen Sie Ausreden, warum Sie trinken?
9. Zeigen Sie ein besonders aggressives Benehmen gegen die Umwelt?
10. Neigen Sie zu innerer Zerknirschung und dauernden Schuldgefühl wegen des Trinkens?
11. Versuchen Sie periodenweise völlig abstinent zu leben?
12. Haben Sie ein Trinksystem versucht (z.B. nicht vor bestimmten Zeiten zu Trinken)?
13. Haben Sie häufig den Arbeitsplatz gewechselt?
14. Richten Sie Ihre Arbeit und Ihren Lebensstil auf den Alkohol ein?
15. Haben Sie ein Interesse-Verlust an anderen Dingen als an Alkohol bemerkt?
16. Zeigen sie auffallendes Selbst Mitleid?
17. Haben sich Änderungen im Familienleben ergeben?
18. Neigen Sie dazu, sich ein Vorrat an Alkohol zu sichern?
19. Vernachlässigen Sie Ihre Ernährung?
20. Wurden Sie wegen Alkoholmissbrauchs in ein Krankenhaus aufgenommen?
21. Trinken sie regelmäßig am Morgen?

Chronische Phase

22. Haben Sie mitunter tagelang getrunken?
23. Beobachten sie einen moralischen Abbau an sich selbst?
24. Wurde Ihr Denkvermögen beeinträchtigt?
25. Trinken sie mit Personen, die Weit unter Ihrem Niveau liegen?
26. Trinken sie gelegentlich technischen Alkohol (Haarwasser, Brennspiritus)?
27. Wurde die Verträglichkeit für Alkohol geringer?
28. Beobachten Sie morgendliches Zittern?
29. Wurde das Trinken zum Zwang?
30. Hatten sie bereits ein Alkoholdelir?


Wenn sie bei ehrlicher Selbstprüfung mehr als fünf Fragen mit "Ja" beantworten müssen, so besteht die Wahrscheinlichkeit, daß Sie Alkoholiker sind.