Ein Treffen in der Trennung
Wenn geschrieben steht, "er", der Borderliner, so ist damit die Borderlinepersönlichkeitsstörung, Borderline-Störung, gemeint. Also männlich, wie auch weiblich.
Dass Sie in und durch die Trennung erschüttert sind, haben wir ja bereits festgestellt, auch, dass Sie zum Zeitpunkt der Trennung bereits psychisch und physisch am Ende waren. Betrachten wir uns eine Situation nach der Trennung und was Sie so erschüttert.
Da steht er (der Borderliner), wenn Sie es dann irgendwie geschafft haben, vor Ihnen. In der Regel wird er kaum in ein Gespräch einwilligen, es sei denn, der "Zufall des Treffens" hilft Ihnen. Seine Ausstrahlung ist nicht die, die Sie kennen. Seine Haltung, seine Mimik, seine Augen, seine gesamte Gestalt drücken Angst, Ablehnung, ja eisige Kälte aus. Da Sie durch die Umstände, sein kurzfristiges Umschlagen von Liebe zu Hass, Symbiose und Distanz, Heirat und Beziehungsabbruch, Idealisierung und Abwertung , sowie vollkommen durch den Wind sind, stürzt das, was Sie da wahrnehmen, Ihren letzten Rest von Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl in tiefste Abgründe. Ihr Herz schlägt, als ob es den Brustkorb sprengen will, Sie ringen nach Atem, gleichzeitig schnürt es Ihnen die Kehle zu und Ihre Knie scheinen aus Watte. Ihre Augen brennen vom fehlenden Schlaf und physisch sind Sie dem Sterben näher als dem Leben, durch das zurückliegende Chaos. Ihr Adrenalin- und Ihr Cortisol-Spiegel liegt weit der Grenzen eines normalen Level's. Falls es ein abgesprochenes Treffen ist, haben Sie sich tausend Worte, Fragen und Erklärungen zurechtgelegt, die sich in diesem Moment in Luft auflösen. Wahrscheinlich ist eher, dass es Sie vollkommen unvorbereitet trifft. Sie erleben in sich das gleiche Chaos, wie die letzten 2/3 der Beziehung. Ohne weiteres wissen Sie um die Sinnlosigkeit des erneuten Versuchs, diese Beziehung zu retten oder zu kitten.
Aber Sie "wissen" es nur, mehr nicht. Der Geist ist willig, doch das Fleisch ist schwach. Na ja, von viel Geist kann man in diesem Zustand nicht sprechen. In Ihnen tobt ein regelrechter Überlebenskampf. Ihr Körper, Ihre Seele wollen aber leben. Wie ich es bereits beschrieben habe, versuchen beide diesen Zustand zu ändern und dies wiederum veranlasst Ihren Körper, die letzten Reserven zu mobilisieren. Kalt, abweisend steht er da, Ihr Borderliner. Nichts deutet darauf hin, dass dieser Mensch Sie gestern noch "geliebt" hat. Um Ihre Kraftreserven mobilisieren zu können, greift Ihr Gehirn nun wieder zu dem alten Trick und blendet all die chaotischen, schrecklichen Situationen, all den Schmerz und Erniedrigungen, die Sie im Laufe dieser Beziehung erdulden mussten, aus. Es holt sich all die schönen Bilder wieder. Sie schauen in die Augen Ihres Gegenübers, die noch vor so kurzer Zeit so liebevoll, so zärtlich, manchmal so traurig schauten und so oft vor Glück weinten. Sie sehen den Körper, von dem Sie jeden Millimeter kennen, riechen ihn förmlich. Der Körper, der Ihnen so viel Zärtlichkeit, Leidenschaft und Liebe geben konnte. Sie sehen, wie Sie mit diesem Menschen verschmolzen, eins wurden. Wie Sie gemeinsam den Himmel berührten und ein nie gekanntes Gefühl verspürten. Sehen vor sich die Träume, die Sie hatten und schon so oft mit ihm, dem Borderliner, zerplatzten. Sehen den Mund, der so zärtliche, wundervolle Worte formen konnte und Ihnen heute wie eine glatte Lüge vorkommen. Der Mund, der Sie mit tausend Versprechen über säte. Hören in Gedanken diese warme, zärtliche Stimme, die in der Lage war, alles in Ihnen zu wecken.
Ihr Blick fällt auf die Hände Ihres Borderliners und Ihr ganzer Körper überzieht sich mir einer Gänsehaut. Oh ja, sie konnten zärtlich sein, Dass diese Hände sie nicht hielten, wenn es darauf ankam, dass dieser Mund Ihnen Verletzungen entgegenschleuderte, die Sie nie vergessen könnten, Ihnen mehr als einmal drohte, hinter Ihrem Rücken regelrecht Gift versprühte, dass dieser Mund Sie belog, dass diese Augen Sie manipulierten, dieser Körper sich im kleinsten Bruchteil der Zeit sich genauso einen anderen Menschen hingab, blenden Sie , wie gesagt, vollkommen aus. Insofern setzt Ihr "logischer Verstand", der Ihnen sagen würde,: "Lass es, geh! Es ist ein Wiederholung. Was will der Borderliner antworten?", aus. Deshalb ist es Ihnen unmöglich, die gegenwärtige Situation distanziert zu betrachten. Klack, wieder einmal hat die Borderlinefalle, allerdings in Ihnen zugemacht. Ihr Verstand will die Wahrheit in diesem Moment nicht zulassen. Die Falle in Ihnen lautet: "das kann doch nicht alles gelogen gewesen sein." War es ja auch nicht (Spaltung), nur zum Teil (Manipulation). "So kann er/ sie nicht zu einem anderen werden (Liebe), nicht in so kurzer Zeit.
Doch kann er/ sie. Hat er/ sie schon getan.
"Aber was ist mit all den Versprechen?", zählen nicht (Spaltung), sind gar nicht mehr vorhanden.
"Aber er/ sie hat doch gesagt, so habe er/ sie noch nie geliebt?" Stimmt ja auch, da das Alte weg ist durch die Spaltung.
Die Liste ließe sich jetzt beliebig lang fortsetzen. Im Moment ist diese Emotions-/ Gefühlsfalle allerdings ein Schutz für Ihre Psyche. Sie verhindert in diesem Moment, dass der Schmerz der Wahrheit, der Erkenntnis Sie regelrecht überrennen würde und Sie möglicherweise unkontrollierte Reaktionen (Reaktionen auf den Schmerz) von sich geben.
Allerdings veranlasst Sie das wiederum, dem Borderliner Ihre Sichtweise näher bringen zu wollen, ihn an all das erinnern zu wollen, was Sie sehen. Das dies durch die Spaltung des Borderliners, der Borderline-Störung, nicht gehen kann, absolut nicht möglich ist, wissen Sie in diesem Moment nicht.
Ohne weiteres kann natürlich der Schalter beim Borderliner plötzlich auf die weiße Seite schalten und wieder zurück. Dazu zwei kleine Beispiele.
Ein "Zufallstreffen", wie oben beschrieben. Nennen wir sie hier M. (weiblich, Borderline-Störung) und H. (männlich).
M: Dreht ständig den Kopf weg und behandelt H. wie Luft. Sie gibt ihm zu verstehen, dass Sie keinen Kontakt wünscht. Ablehnung und absolute Kälte lassen kaum ein Gespräch entstehen.
H: Ist wie oben beschrieben, verzweifelt und versucht diese Beziehung zu retten. Die Situation entspannt sich ein wenig, als M. zumindest anfängt, H. wütend mit Vorwürfen zu bombardieren. Das kennt H., wenn M. wütend und verletzend wird, steigen die Chancen. So war es zumindest bisher immer. Ihm bleibt nichts anderes übrig, als die Vorwürfe zu schlucken und M. recht zu geben.
Die Situation entspannt sich weiter und sie laufen am Fluss entlang, wobei H. immer zwei Schritten hinten dran ist.
M: läuft so, dass dieser Abstand immer gewahrt bleibt. Plötzlich bleibt sie vor ihm stehen, dreht sich um und sagt: "Ich liebe dich doch auch".
H: bleibt wie vom Donner gerührt stehen. Begreift erst nicht, weiß nicht, wie er sich verhalten soll. Er tritt auf sie zu und streichelt M. sanft durch das Haar. In diesem Moment läuft ein Zittern durch ihren Körper, die Augen füllen sich mit Tränen. H. nimmt M. zärtlich in die Arme, was er sieht, schmerzt ihn. Ihr Kopf sinkt an seine Brust und sie weint und schluchzt herzzerreißend. H. schafft es sie zu beruhigen und nach fünf Minuten strahlt M. wie ein kleines Kind. Das hält so ca. eine halbe Stund an. Eingehakt bei ihm plappert sie über alles mögliche, nur nicht über die Probleme oder die noch eben gewesene Trennung. H. belastet das, möchte Gewissheit und versucht das Gespräch darauf zu bringen. Das Gesicht von M. verfinstert sich zunehmend, der Schritt wird schneller, wie immer kommt der Satz: "Ich will jetzt nicht darüber reden".
"Mist", denkt sich H:, so ist das jedes Mal. "Ich will jetzt, ich will jetzt nicht" äfft er in Gedanken. Es macht ihn wütend, wenn sie ihn so behandelt. Was ist er denn? Ein Stück Holz? Er will sich nicht jedes mal so herumstoßen lassen. "Verdammt, immer geht es nach dir", sagt er im scharfen Ton. Ups, das war zuviel. M. blickt ihn wütend an. "Wenn Blicke töten könnten", kann er gerade noch denken, als M. sich auf dem Absatz herumdreht und in Richtung Heimat braust. H. wie immer, drei Schritte hinterher. Als beide an eine ziemlich enge Stelle des Ufers kommen, ruft H. ziemlich laut und erregt: "Bleib doch endlich mal stehen und hör mir zu". Keine Reaktion. Mit drei schnellen Schritten holt er sie ein, berührt ihren Arm und sagt sehr erregt: "Sag mal, warum behandelst du mich immer wie ein Stück Dreck?"
M: schaut ihn mit angstverzerrten Gesicht an, die Augen weit aufgerissen und sagt "Geh jetzt".
H: "Was hast du denn?
M: "Geh jetzt, sofort."
H: ist völlig verdutzt und M. geht schnellen Schrittes weiter, dreht sich nicht um. H. schaut ihr nach und versteht die Situation nicht. Sicher kennt er Aussetzer von M., welcher es jetzt wieder ist, weiß er nicht. H. fährt nach Hause und denkt über das Treffen und was er wohl wieder einmal falsch gemacht hat, nach. Es fällt ihm beim besten Willen nicht ein.